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Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition)

Titel: Auf dem Holzweg durchs Universum: Warum sich die Physik verlaufen hat (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Unzicker
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Datenhaufen erzeugt. Nicht wenige der dabei Beteiligten werden behaupten, mit ein paar Näherungsformeln alles vernünftig beschreiben zu können – so der Originalton eines Arbeitsgruppenleiters am Max-Planck-Institut für Quantenoptik, mit dem ich mich vor längerer Zeit darüber unterhielt. Zu Feynmans Aussage, es gebe bei großen Beschleunigungen keine korrekte Formel, machte er große Augen und meinte, man befinde sich wohl noch nicht in diesem Bereich. Wann dann, fragt man sich, wenn nicht bei 10 24 Watt pro Quadratmeter?
    Die fleißigen Rechner berufen sich meist auf ‚den Jackson‘, ein Standardlehrbuch mit dem Titel Classical Electrodynamics . Es handelt sich um eines jener zahlreichen Werke, deren Autoren ihre Lebensaufgabe darin sehen, Hunderte von Formeln zusammenzutragen. Dass eine vollständige Theorie der Abstrahlung gar nicht existiert, liest man dort aber nicht – die alte Geschichte vom Wald und den Bäumen. Die Tatsache, dass wir große Beschleunigungen von Ladungen nicht beschreiben können, wirft übrigens ein bizarres Licht auf nahezu alle Experimente der Hochenergiephysik. Seit über fünfzig Jahren lässt man in den Collidern Ladungen aufeinanderprallen, für deren Strahlungsverluste bei der Abbremsung es keine gute Theorie gibt. Für eine korrekte Analyse wäre es eigentlich bitter nötig, einen so elementaren Prozess genauer zu verstehen.
EIN GROSSER TRAUM – HOFFNUNGSLOS BEGRABEN?
    Der Stil der Physik hat sich im letzten Jahrhundert entscheidend gewandelt. Paul Dirac, das introvertierte Genie der Quantentheorie, war vielleicht wie kein anderer den Geheimnissen des Elektrons auf die Spur gekommen und hatte dafür 1933 den Nobelpreis erhalten. Doch auch er versuchte sich in späteren Jahren an einer neuen Theorie der Elektrodynamik, 72 weil er deren grundlegende Defizite erkannt hatte – ohne Erfolg. Und schon Hendrik Antoon Lorentz, ein Mentor Einsteins, der wichtige Vorarbeit zu dessen Formel E = mc 2 geleistet hatte, war diesen entscheidenden Fragen nachgegangen. Er war überzeugt, dass man die Masse des Elektrons allein aus der Energie seines elektrischen Feldes ableiten konnte. Gab es keine Möglichkeit, diese zu berechnen? Er grübelte jahrelang darüber nach, konnte aber die Widersprüche nicht auflösen. Seine Idee bleibt jedoch faszinierend, einfach und schön.
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    Vielleicht sind wir auf dem vollkommen falschen Weg, wenn wir auf Teile des Elektrons unseren gewöhnlichen Begriff der Kraft anwenden. – Hendrik Antoon Lorentz
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    An den enormen Schwierigkeiten sind also große Geister gescheitert, und die nicht ganz so großen nehmen wohl deswegen die Schwierigkeiten heute gar nicht mehr wahr. Dennoch sollte man an Lorentz’ Anspruch, die Elektronenmasse zu berechnen, festhalten: Wer das Ziel aufgibt, etwas richtig zu verstehen, sollte die Physik gleich bleiben lassen. Tatsächlich scheint allerdings überall, wo die Masse auftaucht, ein tieferes Problem hineinverwoben zu sein, das uns noch öfters begegnen wird.
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    Man wird uns zur Physikergeneration zählen …, die so wesentliche Probleme wie die Selbstenergie des Elektrons ungelöst zurückließ. Allmählich gewöhne ich mich an den Gedanken, einen wirklichen Fortschritt nicht mehr zu erleben. – Wolfgang Pauli
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DIE QUANTENMECHANIK DER GOLDENEN ZWANZIGER: UNVERSTÄNDNIS WIRD SALONFÄHIG
    „Dass er in seinen Spekulationen gelegentlich auch einmal über das Ziel hinausgeschossen haben mag, wie bei der Hypothese der Lichtquanten …“: 73 Diese Bemerkung von Max Planck über Albert Einstein war eine der kuriosesten Fehleinschätzungen in der Geschichte der Physik. Einstein hatte in einem Artikel von 1905 kühn postuliert, dass Licht, wenn es mit der Frequenz f oszillierte, seine Energie nur in Portionen E = hf abgeben konnte, eine geniale Intuition, die ihm Jahre später den Nobelpreis einbrachte. Die Naturkonstante h in der Formel musste offenbar eine fundamentale Wichtigkeit besitzen, und ironischerweise heißt sie heute Plancksches Wirkungsquantum, obwohl Max Planck ihr in seinem berühmten Strahlungsgesetz keine große Rolle zugedacht hatte („ein Akt der Verzweiflung“). Ihm gefielen die revolutionären Konsequenzen nicht, die sich aus Einsteins Lichtquanten ergaben. [23] Diese Energieportionen stellt man sich heute unter dem Namen ‚Photon‘ als Teilchen vor. Vor Einstein schien sich Licht immer als Welle zu verhalten. Dies ist die Grundfrage, mit der die Physik bis heute kämpft: Welle oder

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