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Auf dem Jakobsweg

Auf dem Jakobsweg

Titel: Auf dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Coelho
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guten Führer.«
»Dennoch sollten Sie versuchen, sich vor allem auf sich selbst zu verlassen. Damit Sie nicht sechs Tage lang durch die Pyrenäen im Kreis laufen.«
Also kannte der Pater die Geschichte bereits.
Wir kamen zu Petrus und verabschiedeten uns dann voneinander. Petrus und ich verließen Roncesvalles am Vormittag, der Nebel hatte sich schon vollständig aufgelöst. Ein gerader, ebener Weg lag vor uns, und ich bemerkte die gelben Zeichen, von denen Pater Miguel gesprochen hatte. Der Rucksack war jetzt etwas schwerer, denn ich hatte in der Taverne eine Flasche Wein gekauft, obwohl Petrus gemeint hatte, es sei unnötig. Nach Roncesvalles sollten Hunderte kleiner Städte am Weg liegen, und ich würde nur selten unter freiem Himmel schlafen.
»Petrus, Pater Miguel hat vom zweiten Kommen Christi gesprochen, als wäre es etwas, das gerade geschieht.« »Das tut es auch! Es geschieht ständig, und das ist das Geheimnis deines Schwertes.«
»Außerdem hast du mir erzählt, ich würde einen Hexer treffen, und ich traf auf einen Pater. Was hat die Magie mit der katholischen Kirche zu tun?«
Petrus sagte nur ein einziges Wort.
»Alles.«

Der Schmerz
    Dort, genau an dieser Stelle, wurde die Liebe getötet«, sagte der alte Bauer und zeigte auf eine kleine, in die Felsen geschmiegte Einsiedelei.
Wir waren fünf Tage lang gewandert und hatten nur haltgemacht, um zu essen und zu schlafen. Petrus war weiterhin ziemlich zurückhaltend, was sein Privatleben betraf, doch er fragte mich über Brasilien und meine Arbeit aus. Er sagte, er möge mein Land sehr, denn das Bild, das er am besten kannte, sei das von Christus dem Erlöser auf dem Corcovado, wo er mit ausgebreiteten Armen dasteht und nicht am Kreuze leidet. Er wollte alles wissen und fragte mich immer wieder, ob die Frauen so schön seien wie hier. Die Hitze war tagsüber fast unerträglich, und in allen Kneipen und kleinen Städten, in die wir kamen, klagten die Menschen über die Dürre. Wegen der Hitze wanderten wir zwischen zwei und vier Uhr, wenn die Sonne am heißesten brannte, nicht mehr und übernahmen den spanischen Brauch der Siesta.
An jenem Nachmittag hatte sich, während wir in einem Olivenhain rasteten, ein alter Bauer genähert und uns einen Schluck Wein angeboten. Selbst die Hitze hatte ihn nicht von dem jahrhundertealten Brauch dieser Region abbringen können, seinen Wein zu trinken.
»Und wieso wurde dort die Liebe getötet?« fragte ich, denn der Alte schien gern einen Schwatz halten zu wollen.
»Vor vielen hundert Jahren beschloß eine Prinzessin, es war Felicia von Aquitanien, bei der Rückkehr von ihrer Pilgerfahrt nach Compostela, allem zu entsagen und sich hier niederzulassen. Das war die wahre Liebe, denn sie teilte ihr Gut mit den Armen dieser Region und pflegte die Kranken.« Petrus hatte eine seiner scheußlichen Selbstgedrehten angezündet und lauschte, obwohl äußerlich gleichgültig, aufmerksam der Geschichte des Alten.
»Dann wurde ihr Bruder, der Herzog Guilhaume, ausgesandt, um sie nach Hause zurückzuholen. Doch Felicia weigerte sich. Verzweifelt erdolchte sie der Graf in der kleinen Einsiedelei, die man dort in der Ferne sieht und die sie mit ihren eigenen Händen gebaut hatte, um den Armen beizustehen und Gott zu preisen.
Als er wieder bei Sinnen war und begriff, was er getan hatte, ging der Graf nach Rom, um beim Papst um Vergebung zu bitten. Als Buße verpflichtete ihn der Papst dazu, nach Compostela zu pilgern. Und da geschah etwas Merkwürdiges: Als er von dort zurückkehrte, verspürte er denselben Drang und ließ sich in der Einsiedelei nieder, die seine Schwester gebaut hatte, und kümmerte sich bis in die letzten Tage seines langen Lebens um die Armen.«
»Das ist das Gesetz der Wiederkehr«, lachte Petrus. Der Bauer verstand diese Bemerkung nicht, doch ich wußte genau, was er damit sagen wollte. Während unserer Wanderung hatten wir lange theologische Streitgespräche über die Beziehung Gottes zu den Menschen geführt. Meine These war gewesen, daß innerhalb der >Tradition< Gott immer im Spiel, der Weg aber ein ganz anderer sei als der, den wir auf dem Jakobsweg verfolgten, auf dem es Hexer, dämonische Zigeuner und wundertätige Heilige gab. All dies erschiene mir sehr archaisch, zu sehr mit dem Christentum verbunden und habe nicht die Faszination und die Ekstase, die die Rituale der >Tradition< in mir hervorrufen konnten. Petrus hingegen sagte immer, daß der Jakobsweg ein Weg sei, den Jeder Mensch gehen und daß nur

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