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Auf dem Jakobsweg

Auf dem Jakobsweg

Titel: Auf dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Coelho
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glauben. Er nahm die Karte und zeigte mir die Entfernung: siebzehn Kilometer. Auch wenn man wegen der Auf- und Abstiege nur langsam wanderte, war dieser Weg in sechs Stunden zu schaffen.
»Du bist so versessen darauf, dein Schwert zu erreichen, daß du das Wichtigste vergessen hast: Man muß zu ihm gehen. Indem du auf Santiago gestarrt hast, das du von hier aus nicht sehen kannst, hast du nicht bemerkt, daß wir an einigen Stellen auf verschiedenen Wegen vier- oder fünfmal hintereinander vorbeigekommen sind.«
Jetzt, da Petrus es sagte, erinnerte ich mich daran, daß der Mont Itchasheguy, der höchste der Region, manchmal rechts und manchmal links von mir gelegen hatte. Mir war das damals durchaus aufgefallen, doch ich hatte nicht den einzig möglichen Schluß daraus gezogen, nämlich daß wir im Kreis gelaufen waren.
»Ich bin einfach verschiedene Wege gegangen und habe dabei die Schmugglerpfade im Wald genutzt. Aber du hättest es trotzdem merken müssen. Schuld daran ist, daß das Gehen an sich für dich unwichtig war. Für dich zählte nur dein Wunsch anzukommen.«
»Und wenn ich es gemerkt hätte?«
»Dann hatten wir auch sieben Tage gebraucht, denn die Praktiken der R.A.M. wollen es so. Doch du hättest mehr von den Pyrenäen gehabt.«
Ich war dermaßen überrascht, daß ich die Kälte und das Dorf vergaß.
»Wenn man auf ein Ziel zugeht«, fuhr Petrus fort, »ist es äußerst wichtig, auf den Weg zu achten. Denn der Weg lehrt uns am besten, ans Ziel zu gelangen, und er bereichert uns, während wir ihn zurücklegen. Man könnte dies mit dem sexuellen Akt vergleichen. Entscheidend für die Intensität des Orgasmus ist das Vorspiel. Das weiß inzwischen jedes Kind. Das eilt auch, wenn man im Leben ein Ziel verfolgt. Der gute oder schlechte Ausgang hängt vom Weg ab, den wir einschlagen, um es zu erreichen, und von der Art, wie wir diesen Weg gehen. Daher ist die Zweite Praktik der R.A.M. so wichtig: Sie besteht darin, aus dem, was wir gewohnt sind, tagtäglich die Geheimnisse zu schöpfen, die uns die Routine zu sehen hindert.«
Und Petrus lehrte mich das Exerzitium der Langsamkeit. »In der Stadt, in unserem Alltag, sollte diese Übung zwanzig Minuten lang durchgeführt werden. Doch da wir uns auf dem geheimnisvollen Jakobsweg befinden, werden wir eine Stunde brauchen, um bis in das Dorf zu gelangen.«
Die Kälte, die ich inzwischen vergessen hatte, kehrte wieder zurück, und ich blickte Petrus mutlos an. Doch er achtete nicht darauf: Er schulterte seinen Rucksack, und wir begannen die zweihundert Meter in nervtötender Langsamkeit zurückzulegen. Anfangs blickte ich nur zur Taverne, einem kleinen alten, zweistöckigen Gebäude, über dessen Tür ein hölzernes Schild angebracht war. Wir waren so nah, daß ich sogar das Datum lesen konnte, an dem das Haus gebaut worden war: 1652. Wir bewegten uns, doch es schien so, als kämen wir nicht von der Stelle. Petrus setzte, so langsam es irgend ging, einen Fuß vor den anderen. Ich zog meine Uhr aus dem Rucksack und band sie mir um.
»So wird es nur schlimmer«, sagte er, »denn die Zeit verlauft nicht immer gleich schnell. Wir sind es, die ihren Gang bestimmen.«
Ich begann, ständig auf die Uhr zu sehen, und fand, daß er recht hatte. Je mehr ich auf sie sah, desto langsamer vergingen die Minuten. Ich beschloß, seinen Rat zu befolgen, und steckte die Uhr wieder in die Tasche. Ich versuchte, auf die Landschaft, die Ebene, die Steine, auf die meine Schuhe traten, zu achten, doch ich schaute weiterhin ständig auf die Taverne und war davon überzeugt, daß wir kein bißchen vorangekommen waren. Ich überlegte mir, daß es vielleicht helfen würde, wenn ich mir in Gedanken Geschichten erzählte, doch diese Übung machte mich so nervös, daß ich mich nicht konzentrieren konnte. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus und zog wieder die Uhr aus der Tasche. Aber es waren erst elf Minuten vergangen. »Mach diese Übung doch nicht zu einer Quälerei, denn das ist nicht ihr Sinn«, sagte Petrus. »Versuch zu genießen, daß du dich in einer Geschwindigkeit bewegst, die du nicht gewohnt bist. Wenn du die Dinge anders als gewohnt
DAS EXERZITIUM DER LANGSAMKEIT
Gehe zwanzig Minuten lang halb so schnell wie gewöhnlich. Achte auf alle Details, auf die Leute und die Landschaft um dich herum. Der beste Augenblick, um diese Übung zu machen, ist die Zeit nach dem Mittagessen. Wiederhole diese Übung sieben Tage nacheinander.
machst, läßt du zu, daß ein neuer Mensch in dir

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