Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf dem Jakobsweg

Auf dem Jakobsweg

Titel: Auf dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Coelho
Vom Netzwerk:
Kugel. Sie ist die Manifestation der Höchsten Liebe, die jenseits unserer Alltagskämpfe liegt, dich jedoch stärkt, dir Kraft, Energie und Frieden gibt.
5. Halte dieses über die Welt gebreitete Licht so lange wie möglich aufrecht. Dein Herz ist offen, verbreitet Liebe. Diese Phase des Exerzitiums sollte mindestens fünf Minuten dauern. 6. Kehre ganz allmählich aus deiner Trance in die Welt zurück. Die Heiligen werden in der Nähe bleiben. Das blaue Licht wird weiterhin über die Welt verteilt sein.
Dieses Ritual kann, wenn es nicht anders geht, von einer Person allein, sollte aber wenn möglich von mehreren Personen vollführt werden. Dabei sollen sie einander an den Händen halten.
    die Exerzitien durchführte. Er hatte mir geholfen, die erste Begegnung mit dem Boten zu deuten, hatte mich beim Exerzitium des Samenkorns aus der Trance gerissen, doch zu keinem Zeitpunkt hatte er sich für das interessiert, was sie in mir bewirkten. Mehr als einmal hatte ich ihn gefragt, weshalb er meine Gefühle nicht erfahren wolle, und er hatte mir geantwortet, daß die einzige Verpflichtung, die er als Führer habe, darin bestehe, mir den Jakobsweg und die Praktiken der R.A.M. zu zeigen. Es liege bei mir, die Ergebnisse entweder zu nutzen oder abzulehnen.
Als er sagte, er wolle das Exerzitium mit mir zusammen machen, fühlte ich mich plötzlich seines Lobes unwürdig. Er kannte meine Fehler und hatte häufig an seiner Fähigkeit gezweifelt, mich auf dem Jakobsweg zu führen. Ehe ich ihm das ansatzweise sagen konnte, fiel er mir ins Wort.
    »Sei nicht grausam zu dir. Sonst hast du keine Lehre gezogen aus dem, was ich dir beizubringen suchte. Sei nett zu dir selber. Nimm ein verdientes Lob an.«
    Mir stiegen Tränen in die Augen. Petrus nahm mich bei der Hand, und wir gingen hinaus. Die Nacht war dunkel, dunkler als sonst. Ich setzte mich neben ihn, und wir begannen zu singen. Die Musik stieg in mir auf, und ich folgte der Melodie mühelos. Ich begann leise in die Hände zu klatschen, während ich den Oberkörper vor- und zurückschwingen ließ. Das Händeklatschen wurde stärker, und in mir floß frei die Musik, eine Lobeshymne auf den dunklen Himmel, die wüstenähnliche Ebene, die leblosen Felsen. Ich begann die Heiligen zu sehen, an die ich als Kind geglaubt hatte, die aber das Leben von mir entfernt hatte, weil auch ich einen großen Teil Agape in mir abgetötet hatte. Doch jetzt kehrte die alles verschlingende Liebe freigebig wieder zu mir zurück, und die Heiligen lächelten genauso vom Himmel wie damals in meiner Kindheit.
    Ich breitete die Arme aus, damit die Agape floß, und ein geheimnisvoller Strom aus blauem Licht begann in mich hineinund aus mir herauszufließen, wusch meine Seele und vergab mir meine Sünden. Da begann ich zu weinen. Ich weinte, weil ich den Enthusiasmus wieder fühlte, den ich als Kind angesichts des Lebens gefühlt hatte. Nichts mehr konnte mir in diesem Augenblick etwas anhaben.
    Das Licht breitete sich erst über die Landschaft aus, und dann umhüllte es die ganze Welt. In jede Tür, in jede Gasse war es gedrungen und hatte für Bruchteile von Sekunden jedes lebende Wesen berührt.
Ich spürte, daß jemand kam und sich rechts neben mich setzte, und glaubte, es sei mein Bote, denn er würde der einzige sein, der dieses starke Licht sehen konnte. Jemand ergriff meine zum Himmel erhobenen Hände. In diesem Augenblick wurde der Strom blauen Lichts noch stärker, so intensiv, daß ich glaubte, ohnmächtig zu werden. Doch es gelang mir, ihn noch so lange aufrechtzuerhalten, bis ich das Lied zu Ende gesungen hatte.
Dann entspannte ich mich, vollkommen erschöpft, doch eins mit dem Leben und glücklich über das, was ich gerade erlebt hatte. Die Hände, die meine Hände gehalten hatten, gaben diese frei. Ich bemerkte, daß eine Hand die Hand von Petrus war. Und tief in meinem Herzen ahnte ich, wessen die andere Hand war. Ich öffnete die Augen, und neben mir saß der Mönch Alfonso. Er lächelte. »Buenas noches.« Ich lächelte zurück, ergriff seine Hand und drückte sie fest an meine Brust. Er ließ mich gewähren, zog dann aber seine Hand sanft zurück.
Keiner sagte etwas. Eine geraume Weile später erhob sich Alfonso und ging wieder in die felsige Ebene zurück. Meine Blicke folgten ihm, bis die Dunkelheit ihn ganz in sich aufgenommen hatte.
Petrus brach kurz darauf das Schweigen. Er erwähnte Alfonso nicht.
»Mache dieses Exerzitium, sooft du kannst, und ganz allmählich wird die Agape wieder

Weitere Kostenlose Bücher