Auf dem Jakobsweg
verhelfen«, hielt ich ihm vor.
»Ich kämpfe nicht gegen meine Brüder«, entgegnete Astrain. Genau das war die Antwort, die ich erwartet hatte. Ich war schon vorgewarnt, und es war dumm, dem Boten gram zu sein, weil er seiner eigenen Natur folgte. Ich mußte in ihm den Gefährten suchen, der mir in Augenblicken wie diesem half. Das war seine einzige Aufgabe. Mein Groll verrauchte, und wir begannen, angeregt über den Jakobsweg, über Petrus und das Geheimnis des Schwertes zu reden, das ich in mir bereits zu fühlen begann. Er sagte mir nichts Bedeutsames, nur daß diese Geheimnisse ihm nicht zugänglich seien. Doch so hatte ich zumindest jemanden, dem ich mein Herz ausschütten konnte, nachdem ich einen ganzen Nachmittag lang geschwiegen hatte. Wir redeten bis spät in die Nacht miteinander, bis die Alte an meine Tür klopfte, um mir zu sagen, daß ich im Schlaf sprach.
Ich erwachte wohlgemut und nahm meine Wanderung früh am Morgen wieder auf. Meinen Berechnungen zufolge würde ich noch am selben Nachmittag die Provinz Galizien erreichen, deren Hauptstadt Santiago de Compostela ist. Der Weg führte stetig bergauf, und ich konnte mein normales Wandertempo nur mit Mühe beibehalten. Vor jeder Anhöhe hoffte ich, daß es auf der anderen Seite nun endlich bergab ginge. Doch es kamen immer nur noch höhere Berge, die es zu überwinden galt. Die physische Anstrengung vertrieb meine düsteren Gedanken, und ich begann, freundschaftlichere Gefühle für mich selbst zu hegen.
Verdammt, dachte ich, wer wird denn in dieser Welt überhaupt einen Menschen ernst nehmen, der alles aufgibt, um ein Schwert zu suchen? Würde es mir wirklich so viel ausmachen, wenn ich es nicht fände? Immerhin beherrsche ich inzwischen die Praktiken der R.A.M., habe meinen Boten kennengelernt, mit dem Hund gekämpft und meinen Tod gesehen. Der Jakobsweg war wichtig für mich, und das Schwert war nur eine Folgeerscheinung. Natürlich würde ich es gern finden, aber lieber noch wollte ich herausfinden, was ich mit ihm anfangen wollte. Denn irgendeine praktische Anwendung mußte es dafür geben, ähnlich den Exerzitien, die mich Petrus gelehrt hatte. Unvermittelt blieb ich stehen. Der Gedanke, der bislang gleichsam verschüttet gewesen war, brach hervor. Alles um mich herum wurde hell, und eine Welle von Agape durchströmte mich. Ich wünschte, Petrus wäre dagewesen, damit ich ihm sagen könnte, was er immer von mir hatte hören wollen und was die Krönung all der Lehren des Jakobsweges war: die Antwort auf die Frage nach dem Geheimnis meines Schwertes.
Im Grunde betraf dieses Geheimnis alles, was der Mensch in diesem Leben zu erringen versuchte: Wir müssen wissen, wozu wir etwas wollen, was wir damit anfangen wollen.
So hatte ich es nie gesehen. Während des ganzen Jakobsweges wollte ich immer nur herausbekommen, wo das Schwert versteckt lag. Ich hatte mich nie gefragt, warum ich es finden wollte und wozu ich es brauchte. Meine ganze Energie richtete sich auf die Belohnung, und ich begriff nicht, daß jemand, der sich etwas wünscht, genau wissen muß, wozu er sich dieses wünscht. Dies ist der einzige Grund, auf die Suche nach einer Belohnung zu gehen, und dies war das Geheimnis meines Schwertes.
Auf irgendeinem Weg mußte Petrus erfahren, daß ich das herausgefunden hatte, auch wenn ich ihn nie wiedersehen würde. Er hatte diesen Tag so sehr herbeigesehnt.
Still kniete ich nieder, riß eine Seite aus meinem Notizbuch und schrieb auf, was ich mit meinem Schwert machen wollte. Dann faltete ich das Blatt sorgfältig zusammen und legte es unter einen Stein. Die Zeit würde diese Botschaft bald zerstören, doch symbolisch hatte ich sie Petrus hiermit übermittelt. Er wußte, daß ich mein Schwert finden würde. So war auch Petrus' Mission erfüllt.
Ich stieg weiter bergan, Agape durchstömte mich und brachte die Landschaft ringsum zum Leuchten. Jetzt, wo ich das Geheimnis gelöst hatte, mußte ich nur noch finden, was ich suchte. Jetzt glaubte ich zuversichtlich und unerschütterlich daran, es zu schaffen. Ich begann das italienische Lied zu singen, das mir Petrus auf dem Bahnhof vorgesummt hatte. Da ich die Worte nicht kannte, erfand ich einfach welche. Ich wanderte gerade durch einen dichten Wald, niemand war in der Nähe, und so sang ich ganz laut. Nach und nach ergaben die von mir erfundenen Worte einen geheimen Sinn.
Etwas Ähnliches hatte ich bei meiner ersten Begegnung mit der Legion erlebt. Damals hatte sich in mir die Gabe, in fremden Zungen
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