Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf dem Maniototo - Roman

Auf dem Maniototo - Roman

Titel: Auf dem Maniototo - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
Vom Netzwerk:
Lewis. Ich befand, dass alles, was ich schrieb, Familienklatsch war, Geplauder mit mir selbst und meiner Vergangenheit, ohne eine Spur von «Kunst».
    Was verstand Howard Conway schon davon, fragte ich mich. Er war jung, charmant und hatte zwei Romane geschrieben,
Samen am Strand
und
Blätter im Wind,
beide in einer Art Wind-und-Wetter-Tradition – Frauen mit fließenden Haaren und Augen, Pferde mit fliegenden Mähnen, Bäume mit fliegenden und Männer mit fließendem Samen, das Ganze in sturmgepeitschter Landschaft. Diese Romane, in Kombination mit seiner äußeren Erscheinung und seinem ständigen Drängen: Lasst alles raus!, verliehen Howard Conway etwas Rastloses, und man konnte sich nicht vorstellen, dass er lange genug vor einem Stapel Schreibmaschinenpapier saß, um einen Roman fest an die Leine zu nehmen.
    Soweit ich mich entsinne, war das Schreiben damals in Mode, und das war zumindest zum Teil der Grund für den Erfolg der Schriftstellerschule. Hier hatte sich der Tod des berühmten Dichters ereignet, und über ihn wurde in Blenheim oft gesprochen, und manche sagten, er habe seine Haut mit der Innenseite nach außen getragen, und allein schon die Berührung mit der Luft müsse ihm Schmerzen bereitet haben; er sei schon so geboren, die Haut auf die Art übergestreift, wie wir unseren Kindern das Sockenanziehen beibrachten – erst auf links, dann schnell auf rechts gedreht, und die warmeSeite ist innen und die gerippte außen, und nichts tut weh, aber beim Dichter passierte beim Anziehen ein Missgeschick, eine gerippte Seite war innen und schmerzte, sein Leben lang.
    Der zweite Todesfall der jüngsten Zeit (er war gestorben, nachdem ich von meinen Reisen zurückgekehrt war) betraf Peter Wallstead, einen wenig bekannten Romanschriftsteller, der plötzlich bekannt wurde und große Anerkennung fand, als seine Bücher, seit Langem vergriffen, neu aufgelegt wurden (nach seinem Tod), und die Kritiker verwendeten beinahe den ganzen ihnen zur Verfügung stehenden Platz für die Feststellung, wie außerordentlich Peter Wallstead gewesen sei, ein Geschichtslehrer, der all die Jahre in einer kleinen Stadt gelebt und unterrichtet und offensichtlich nie das Bedürfnis gehabt hatte, den Maniototo zu verlassen. Man beschäftigte sich weniger eingehend mit seinem Werk als mit der Tatsache, dass er auf dem Maniototo geblieben war – doch sicher der allerletzte Ort, an dem ein Schriftsteller leben wollte! Was war der Maniototo?, fragten die Leute. Wo war er? Nicht jeder aus dem Norden kannte sich mit der Geografie des Südens aus, und selbst im Süden wussten es manche nicht. Es sei eine Hochebene in Central Otago, sagte man ihnen – dort, wissen Sie, wo die Luft bekanntermaßen dünn ist, wo Aprikosen wachsen und ein Plan besteht, das Land und die Städte unter Wasser zu setzen. Central Otago mit seinen nach Schlachten benannten Orten – Naseby, Glencoe, Cromwell – und der Maniototo selbst, wo Peter Wallstead lebte: Hatte es nicht die Bedeutung einer Blutebene, nach den dort ausgetragenen Schlachten? Aber war es nicht auch ein Ort, wo Kranke hinfuhren, um von ihren Leiden geheilt zu werden?
    Es herrschte einige Bestürzung darüber, dass Peter Wallsteaddem Literaturbetrieb entgangen war. Die Entbehrung war schrecklich. Sich vorzustellen, dass er all die Jahre im Maniototo gelebt hatte und nicht einmal nach Wellington gekommen war! Und dabei war er Mitglied des P.E.N.-Clubs gewesen. Warum hatte ihn niemand gekannt? Gerade Peter Wallstead … Warum hatte niemand gewusst, wie gut er war? Warum war er nicht nach Auckland gezogen, in die Weltstadt, um Erfahrung zu sammeln, seine Kunst lebendig zu erhalten, im Strom der Zeit? Was für einen Strom gab es denn auf dem Maniototo, wo im Winter alles gefror?
    Als Toter wurde Peter Wallstead vom Strom der Zeit mitgerissen, wie wenn der Clutha-Fluss seine Ufer gesprengt hätte. Er war weg, er fehlte, und man veröffentlichte Fotos von ihm, das Kinn auf die Hand gestützt, ein verschmitztes Seht-ihr-habt-mich-verpasst-Lächeln auf den Lippen und in den Augen. Er hatte ein großes, glattes Gesicht, wie ein Land. Er musste über alle Schlachten der Geschichte Bescheid gewusst haben; und wer weiß, was er auf dieser versteckten Ebene entdeckt hatte! Man stelle sich vor, er hätte Auckland oder Blenheim besucht! Oder hatte er etwa, heimlich? Wer wusste das schon? Und obwohl nur wenige Leute, die in den Norden kamen, auf dem Maniototo gelebt hatten, wurde es Mode, davon zu sprechen,

Weitere Kostenlose Bücher