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Auf dem Maniototo - Roman

Auf dem Maniototo - Roman

Titel: Auf dem Maniototo - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Wandfarbe verhöhnte die runzlige Menschenhaut.
    «Und ich sage dir», sagte Lance, «nur in den älteren Häusern ist das ganze Zeug auch bezahlt.»
    Er wurde immer rachsüchtiger, nahm die Schulden und die Schuldner immer wichtiger, und das Aufspüren von Wynyard wurde sein dringendes Anliegen.
    «Ich bringe sie schon zum Zahlen», sagte er. «Und dann kriege ich Yorkie Wynyard.»
    Er nannte ihn gern «Yorkie», um sich selbst und mich daran zu erinnern, dass Wynyard kein «echter» Neuseeländer war, und was konnte man von einem «Ausländer» schon anderes erwarten?
    «Ich kann nicht glauben, dass du wirklich so denkst», sagte ich. «Du bist nicht der Mensch, der Leute wegen Geld unter Druck setzt. Das sind junge Ehepaare mit Kindern. Das Leben ist schwer genug.»
    «Sie müssen zahlen.»
    Ich verstand, warum Rob Guthrie beeindruckt war.
    «Alle werden dich hassen», sagte ich. «Ich kann mir nicht vorstellen, wie wir danach weiter in Blenheim leben sollen.Ich schäme mich für die Arbeit, die du jetzt machst. Erst die Geisteswissenschaften, Sprache, die nie jemandem geschadet hat, und jetzt das!»
    Lance starrte mich an.
    «Gerade du musst das sagen! Sprache, die nie jemandem geschadet hat. Haha. Mir sind mehr Vergewaltigungen, Morde und Schulden in der Sprache untergekommen, als es in Blenheim je geben wird. Auch Selbstmorde! Zum Teil ist es genau das, was mich bewogen hat, mit dem Sprachunterricht aufzuhören.»
    Das war es also. Ein weiterer Grund. Die Schuld an seiner neuen Einstellung konnte man den Wörtern zuschieben und der Tatsache, dass er Teil des
Großen Neuseeländischen Bestrafungstraums
war; Bestrafung, das bedeutete, dass es jemanden zu bestrafen geben musste, irgendwelche «anderen», und so entzweite und zerstörte man immer weiter. Mir war wohler bei dem Gedanken gewesen, dass Lances neue Tätigkeit in erster Linie die Folge seines Alters war, einer Sehnsucht nach drastischer Veränderung, der Versuch, den Zumutungen der Zeit ein Schnippchen zu schlagen. Schließlich waren alle zufrieden mit der Bemerkung, dass mein schriftstellerisches Interesse mit meinem Alter zusammenhing.
    «Ein Roman verfolgt oder quält wenigstens niemanden.»
    «Da wäre ich mir nicht so sicher. Und wir wissen doch beide, dass der Schuldeneintreiber ebenso bedrängt sein kann wie der Schuldner.»
    «Natürlich.»
    Er sah so müde und blass und bedrückt aus. Es gab nichts, was er gegen seine Besessenheit tun konnte, und meine Klagen verstärkten sein Leiden nur noch, das an sich unwirklich war, ein äußerer Anstrich von Leiden, eine Kopie, die wirbeide als das «Wahre» betrachten mussten, wodurch wir unsere wechselseitige Liebe entwerteten, ja zu einer Fälschung machten.
    Sechs Monate später war Lance tot. Vielleicht werden diejenigen, die ihn kannten, sagen, dass er die Verfolgung eines notorischen Schuldners mit dem Verfolgen von Lebenszielen verwechselte und dass er Letzteres nicht mehr erstrebte, nachdem er Ersteres erreicht hatte. Lassen Sie mich erklären.

9
    Es war einer dieser Tage, an denen der Winter seine ganze Wetterskala durchprobiert, um zu sehen, welches Wetter die größte Missstimmung und Verdrossenheit hervorruft, wobei er gleichzeitig folgende Antwort auf entsprechende Klagen garantiert: «Es könnte viel schlimmer sein; es schneit nicht wie unten im Süden, es ist nicht eiskalt, und es regnet nicht einmal die ganze Zeit»; sowie ein Gefühl der Beschämung darüber, dass man nicht mit einem Wetter zurande kommt, das als «üblich» bezeichnet wird. Es war ein hinterhältiger Feiertag, an dem man sich fühlte wie in einem undichten Häuschen beim Warten auf den Bus, der mit Verspätung oder überhaupt nicht kam; es war ein Tag, an dem der Nachmittag nicht enden wollte.
    Lance arbeitete pausenlos und trug noch immer die lächerliche Uniform des Schuldeneintreibers; er hatte sich einen Panamahut gekauft, einen bordeauxrot und weiß gestreiften Blazer – ein ausgemustertes Stück von einem ehemaligen Oberschüler aus Auckland –, Turnschuhe und graue, bis zu den Knien reichende Shorts, wie Ärzte und Bankbeamte sie im Sommer in Auckland tragen. Sogar eine Trockenfliege für seinen Hut hatte er gekauft.
    Wir hatten beide vor, an diesem Abend wegzugehen – Lance zu seinen Jaguaren (sie waren gerade dabei, das neue Sportheim in der Nähe der Heavenfield Mall auszugestalten) und ich zu meinem Schriftstellerkurs, und da ich nicht zu Hause sein würde, wenn Lance von der Arbeit kam, stellte ich ihm

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