Auf dem Maniototo - Roman
Gewahrsam befanden, noch besser bewachen – im Knast oder Zuchthaus. Beim Tod seiner ersten Frau war Lance dem Anblick von Gewalt am nächsten gekommen, doch selbst da nahm er sie aus der Entfernung wahr, nach dem Unfall, nachdem man sie zurechtgemacht hatte. Und er sagte immer, der Krieg sei etwas, das anderswo stattfinde. (Die Atombombe wurde an seinem sechzehnten Geburtstag abgeworfen.) Sogar bei seiner Ausübung der Sexualität – in einer Zeit, in der noch nicht offen darüber gesprochen wurde –, stützte er sich auf «Schulweisheiten», um Gewalt zu leugnen und den Spielraum für seine Gefühle einzuengen, und er lernte nie, seinem Körper Zutritt zu gewähren zur reichen Welt seiner geborgten Sprache, seiner Lebensaufgabe.
Er war auch keiner von den Männern gewesen, die davon träumen, anders zu sein, als sie sind. Er war kein Lehrer gewesen, der sich danach sehnte, Tischler oder Dirigent zu sein. Er hatte sich für seinen Beruf entschieden und ihn gern ausgeübt. Es bereitete ihm immer ein solches Vergnügen, ein Zitat aus der französischen oder englischen Literatur zu vervollständigen. In den ersten Tagen nach unserer Hochzeit blickte er oft hinaus auf den Sonnenuntergang mit seinen grandiosen Bändern aus Licht und Feuer über dem blauen Waitakeres-Fluss und rezitierte das gesamte Gedicht über die Schlacht vonBlenheim, und obwohl ich das Gedicht ärgerlich und banal fand, hätte ich damals nicht im Traum daran gedacht, das auszusprechen. Damals erfüllte es mich mit noch tieferer Liebe zu ihm. Heute frage ich mich, wie das sein konnte. Es scheint unmöglich und irreal, aber die Realität des Gefühls füllt die Erinnerung bis an den Rand, auch wenn die Zeit außer Reichweite ist, und ich muss es glauben, dass wir an einem Abend gemeinsam das Drama vom alten Kaspar an seiner Hüttentür nachspielten, vom ausgegrabenen «Menschenschädel», der ein Überrest war vom «ruhmreichen Sieg». Und dass wir (ich) von da an bei Lance eine Ähnlichkeit mit dem «Gelehrten» desselben Dichters entdeckten, den Lance ebenfalls in seinem altmodischen Vortragsstil rezitierte. Und von den «tausend in der Sonne verfaulenden Leichen» von Blenheim und dem Mann, dessen «Hoffnungen bei den Toten liegen», ging er über zur französischen Dichtung, wobei er sich strikt an die Schlachten, die Schiffbrüche und die Friedhöfe am Meer hielt.
Sie werden verstehen, wie meine abschließende Frage zum Standardsatz an jedem Abend werden konnte: «Aber Schuldeneintreiber und jetzt die Jagd auf einen Mann, Albert Wynyard. Warum?»
8
Wir verbrachten nicht alle Abende zu Hause. Lance ging in den Pantherklub (ja, er war ein Panther!), während ich den Schriftstellerkurs besuchte. Tagsüber verbrachte ich die meiste Zeit in dem kleinen Arbeitszimmer, in das ich Ediths Zimmer (auf der Nordseite des Hauses) umgewandelt hatte, und versuchte, meinen Roman zu schreiben, während mir die Lektionen des Schriftstellerkurses noch frisch im Gedächtnis waren. Meine ersten beiden Bücher waren mehr oder weniger aus dem «Überfluss» heraus entstanden, von dem jeder zehren kann; wie wenn es so lange regnet, bis der Wasserbehälter voll ist und man das überfließende Wasser auffängt, anstatt es langsam abrinnen zu lassen; oder man lässt es abrinnen und wartet ein wenig länger (vielleicht ein Leben lang), bis die Erde fruchtbar genug ist, um nicht nur üppig wucherndes Gras mit hohlen Halmen hervorzubringen.
Howard Conway, ein amerikanischer Autor, hatte vor Kurzem im Zentrum von Auckland eine Schule für Schriftsteller eröffnet. Er war der festen Überzeugung, jeder könne einen Roman schreiben. Das schien nur recht und billig. «Jeder», das schloss auch mich ein, dachte ich, und ich hatte den Vorteil, bereits zwei Bücher geschrieben zu haben. Allerdings mutete es eher wie Plackerei an, das Gelernte in die Praxis umzusetzen – ich hatte mir vorgestellt, es würde so sein, als sähe man zu, wie eine Flamme eine Zündschnur entlangläuft, gegen die Zeit und das Leben, und eine lang verborgene Bedeutungsschicht in einem aufgelassenen Wortschacht zur Explosion bringt; und dass alles Übrige nur «nachahmendes»Schreiben sei. Das glaube ich immer noch. Es fiel mir damals schwer zu schreiben, in dem kleinen, kalten Hinterzimmer, in dem immer noch der Globus der Kinder auf dem Schreibtisch stand, auf Knopfdruck zu bedienen – dieser Globus und die Karte vom Boden des Pazifischen Ozeans waren die einzigen Überreste von meinem Leben mit
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