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Auf dem Maniototo - Roman

Auf dem Maniototo - Roman

Titel: Auf dem Maniototo - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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gemeinsam, sagte er, und das sei einer der Gründe, weshalb er ihn sich gern ansehe. «Und unser Denken funktioniert ähnlich.»
    Die anderen waren zu müde für den Versuch, seine Selbstsicherheit zu zerstören oder infrage zu stellen.
    Denn die Große Kalifornische Beichte war vorüber. Es blieb nur noch die Wüste, gefolgt von Auszug mit Siegestrophäen. Sogar die unvermeidliche Episode «Nackt auf der Terrasse» hatten sie hinter sich gebracht, als die Hitzewelle die Luft mit weißem Rauschen, Dunst und lichtdurchflutetem Smog erfüllte und alle frostigen Kommentare schmelzen ließ, die Eitelkeiten der mittleren Jahre auflöste, die Blicke, die unausgesprochenen Vergleiche, die wilden Sehnsüchte, und jeder ganz friedlich eine eigene Schönheit an sich entdeckte, sei es eine intime Rundung, eine weichere Hautstelle, eine attraktive Haltung der nackten Beine, eine elegante Wölbung; das alles, gemeinsam erlebt, verlieh ihnen die Selbstsicherheit, sich immer unbekümmerter unter einer schonungslosen, alles versengenden Sonne zu enthüllen.
    Am Tag vor dem Ausflug in die Wüste fuhren sie alle in Theos Wagen zum Supermarkt, um normale und «Wüsten»-Lebensmittel einzukaufen.
    «Wirst du Salztabletten brauchen?», fragte Zita.
    «Eher nicht», antwortete Roger und versuchte so, das blankpolierte Image seiner Reise zu erhalten, ungetrübt von allzu vielen prosaischen Fragen. «Ich nehme ein Sandwich und etwas zu trinken mit.»
    Festsitzend im Supermarkt, warteten sie auf Doris, die einen speziellen Gemüsezerkleinerer kaufte, den es ihres Wissens in England nicht gab.
    «Er ist billig und wiegt nur ganz wenig», sagte sie und zeigte ihn her. «Man legt eine Batterie ein – die Batterien sind
weltweit
erhältlich» (dementsprechend weit riss sie die Augen auf), «und man kann alles damit machen – reiben, schneiden, mischen, zerkleinern; auch kleine Ringe und Tomaten- und Gurkenstücke mit einem Loch in der Mitte.»
    Sie hörten mit vorgetäuschter oder echter Aufmerksamkeit zu. Roger, der sich erneut für sie schämte, sah die ätherische Zita an und bemerkte, wie versunken sie dem langsamen Satz des Klavierkonzerts von Mozart lauschte, das aus den Lautsprechern drang, die in der Nähe von Gefrierschrank, Kasse und Überwachungskamera aufgehängt waren, um die Kunden zu entspannen und sie zum Kauf von noch mehr Hundefutter, Hawaii-Dressing, Fertiggerichten und Papierhandtüchern zu verlocken.
    Sie kamen schwer beladen mit Lebensmitteln nach Hause, die alsbald Kühl-, Gefrier- und Speiseschrank sowie das Regal neben der Geschirrspülmaschine füllten, wo die Reinigungs-, Glanz-, Desinfektions- und Insektenvertilgungsmittel aufbewahrt wurden.
    An diesem Abend gingen sie früh zu Bett. Sie schliefen miteinander. Obwohl alle außer Zita einer älteren Generation angehörten, konnten sie sich die «neuen» Kenntnisse oder Bekenntnisse und die «neue» Freiheit zunutze machen, und wenn sie vielleicht auch nicht ohne Weiteres hartnäckige Gewohnheiten und Vorlieben änderten oder mit Tabus – wie etwa dem des oralen Verkehrs – brachen, so genossen sie doch ein Glück, das ihre Eltern nicht gekannt hatten. Sie warenfeinfühlig. Sie empfanden Zuneigung zueinander. Das größte Problem, das beide Paare hatten, bestand darin, aufrichtig zu sein und gelegentliches Versagen zuzugeben, was nicht so schrecklich ist, wenn man bedenkt, dass der Sexualakt selbst auf Versagen beruht – Millionen von Zellen scheitern, nur wenige erreichen ihr Ziel – und dass selbst am Anfang allen Lebens die, die ihr Ziel trotz fortgesetzter Hartnäckigkeit und Aktivität nicht erreichen, ein ehrenwertes, natürliches Schicksal haben!
    Am nächsten Morgen aßen sie ein warmes Frühstück, zubereitet von Doris, die an warmes Frühstück «glaubte». Die Stimmung war friedlich. Alle schienen sich nun mit dem Haus, seinem Inhalt, seiner neuen Besitzerin, den toten Garretts und miteinander wohlzufühlen. Ihre unausgesprochene Angst vor einem Totenhaus war verflogen und hatte in ihnen jenes Selbstbewusstsein hinterlassen, wie es Hausbesitzer in ihrem eigenen Heim haben, die aber doch ein – sichtbares oder unsichtbares – Gästezimmer für den Tod bereithalten, der kommen und gehen muss, nie aufdringlich oder hinderlich ist, keine Ratschläge erteilt und auch nicht versucht, die Alltagsroutine zu ändern; stets der perfekte, wenn auch immer unangemeldete Gast, der nicht zu lange bleibt, der verlauten lässt, dass er anderswo wohnt und irgendwann

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