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Auf dem Maniototo - Roman

Auf dem Maniototo - Roman

Titel: Auf dem Maniototo - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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nach Hause zurückkehrt und ein freundliches Dankschreiben sendet, mit einer Aufforderung: Vielleicht hätten die Gastgeber Lust, den Besuch eines Tages zu erwidern? Für die Reise sei gesorgt, zu einem von ihm, nicht von ihnen bestimmten Zeitpunkt.
    In letzter Minute beschloss Zita, nicht mitzufahren, und sagte, sie wolle allein einen ruhigen Vormittag verbringen und würde alle nach Rogers ein- oder zweistündigem Probebesuch in der Wüste zu Hause empfangen.

28
    Sie fuhren durch den Canyon in das Tal hinunter, wo die Luft vor Hitze flimmerte und die Rehe und Schlangen schon unterwegs waren, um nach Wasser zu suchen. Sie kamen an den riesigen, trauernden Redwood-Bäumen mit der rauen Rinde vorüber, die wie Streifen getrockneten Bluts herunterhing, und den Zweigspitzen, dem vertrauensvoll zarten Grün neuen Wachstums. Sie fuhren an den Obstgärten im Tal vorbei, den majestätischen Walnussbäumen, den Pfirsichplantagen, ließen die trostlosen Wohnwagenkolonien hinter sich, die durch abschirmende Baumgruppen kosmetisch verschönert waren, die letzten Verkehrsschilder, ein Motel und eine heruntergekommene Imbissstube mit nicht eingeschalteter, altmodischer Weihnachtsbeleuchtung und dem Schild «Frühstück: Orangensaft – Kaffee – Zwei Eier, Zubereitung nach Wunsch – Bratkartoffeln 99 Cent.» Dann wichen die Berge mit ihren goldenen Flanken, bebend wie im Takt mit dem rhythmischen Pulsschlag des chemisch blauen Himmels, zurück, und die Straße wurde allmählich zu einer holprigen Piste, gesäumt von Wüstenpflanzen, und endete abrupt vor dem Schild WÜSTE. Die Temperatur (abzulesen von einem riesigen, an der Tafel befestigten Thermometer) betrug bereits 45 Grad.
    «Ich finde, du bist verrückt», sagte Theo, als er das Auto anhielt. «Und alles ist so unwirklich. In einem Land wie Amerika, wo öffentliche Informationen so gründlich und ausführlich sind, sieht man doch nicht plötzlich so ein Schild! Sie würden einem doch die Region bekannt geben, Flora und Fauna beschreiben und die Gebühren in Dollars mitteilen!Überzeug dich selbst. Jetzt weißt du, wie es in der Wüste aussieht. Kehren wir um, bevor wir zu schmoren beginnen.»
    Er sprach wie mit einem unfolgsamen kleinen Jungen und gab dabei zu verstehen: Erwarte nicht, dass ich dich rette.
    Roger sagte nichts. Die Gegend sah tatsächlich aus wie ein Bühnenbild oder wie der Schauplatz für einen Film oder einen Traum, und auch er hatte mehr an Information erwartet, obwohl es möglich war, dass sie die Landschaft ausnahmsweise für sich selbst sprechen ließen.
    Er stieg aus, zog ein großes Viereck aus weißem Stoff aus seinem Rucksack und schlang es sich um den Kopf wie ein Araber, was Theo und Doris an die Abbildungen von Lawrence von Arabien erinnerte. Sie wussten nicht, wo er das Tuch herhatte. Es bestand sogar die Möglichkeit, dass er es einem Porträt von Lawrence entnommen hatte. Er sah leicht verrückt aus, wie er mit seinen schweren Schuhen herumstapfte (er hatte den Traum, barfuß zu gehen, aufgeben müssen), das Gesicht fast ganz vom Tuch verhüllt. Er trug eine langärmelige Baumwolljacke und eine blauweiß gestreifte Baumwollhose, wie die Zuschauer bei Tennis- oder Schwimmturnieren sie tragen; und etliche Dichter, und ein paar Städteplaner; und auch das ging gegen seinen Traum, halbnackt zu sein. Sein Rucksack enthielt Lebensmittel und Getränke für eine Woche, einen Schlafsack, ein Schweizer Messer zum Öffnen von Flaschen und zum raschen und heldenhaften Herausschneiden von Klapperschlangengift. Die Tatsache, dass er nur ein oder zwei Stunden allein verbringen wollte, in der Nähe der Stelle, wo die Straße endete, aber weit genug entfernt, um ihm die Illusion des Alleinseins in der Wüste zu vermitteln, ließ seinen sorgfältig gepackten Rucksack als Witz erscheinen.
    «Trotzdem», sagte er als Erklärung, «bei der Wüste weiß man nie.» Sie stimmten ihm zu, dass man bei der Wüste nie wisse, ebenso wenig wie bei den Bergen.
    Theo, ganz in seinem Retterelement, sagte bevormundend, dass die Hitze eine Gefahr für sich sei, wenn man sie wie Roger nicht gewohnt war.
    «Also dann», sagte Roger. «Ich gehe jetzt.»
    Sein Gesicht war jetzt schon schweißüberströmt.
    «Hast du die Salztabletten?»
    Das war Doris, die ihren Sohn auf den Schulweg schickte. Hast du Mantel, Mütze und Taschentuch?
    «Keine Sorge.»
    In letzter Minute hatte er ein paar Salztabletten eingepackt.
    «Alles in Ordnung. Ihr fahrt jetzt besser ins Hotel zurück.

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