Auf dem Maniototo - Roman
vergelten Glanz mit Glanz. Sie sah erschrocken aus. Wie typisch für sie, dachte Roger, sich solche Sorgen um mich zu machen! Er fühlte, wie Liebe in ihm aufwallte, und sie, saugfähig wie Moos, nahm sie auf, als wäre es Regen. Aber warum sah sie so erschrocken aus? Er war doch außer Gefahr, oder nicht?
«Jetzt ist es überstanden», versicherte er ihr. «Die Hitze ist schrecklich.»
Sie antwortete unerwartet kurz angebunden.
«Theo ist krank geworden. Ein leichter Schlaganfall. Er ist okay, aber wir sollten schnell nach Hause fahren.»
«Ein leichter Schlaganfall! Das schädigt das Gehirn!», sagte Roger und erschauerte bei dem Gedanken an die furchtbare Macht des Wortes «Gehirn», das, was seine ehrfurchtgebietende Wirkung betrifft, dem Wort «Gott» in manchen Lebensbereichen den Rang abgelaufen hatte. Das Gehirn, das Herz, die Lunge. Ihre tödliche Macht und die, die sich zu ihren Hütern ernannt hatten, kamen ständig in den Nachrichten vor.
«Solche Anfälle ereignen sich jeden Tag», sagte Doris, «und die Leute stehen wieder auf und gehen.» Sie hatte das über jemanden gehört, der vom Blitz getroffen worden war, aber sie sagte es, als passe es auf jemanden, der angeschossen, von einem Auto überfahren oder von einem Gegner in einem fairen Kampf k.o. geschlagen wird. Roger hörte zu, einmal mehr von ihrem praktischen Wesen beeindruckt, das im Laufe seiner zunehmenden Beschäftigung mit Träumen und Idealen an Stärke gewonnen hatte. Das war jene Doris, dieden Haushalt führte, die Kinder versorgte, unerbittlich nach Parmesan suchte, während ihr Mann auf der Suche nach Gott war. Es hatte eine Zeit gegeben, als sie ihre häuslichen Tätigkeiten hintanstellte, um laut mit ihm Bücher zu lesen, Musik zu hören und den himmlischen Aufbau einer Bachfuge zu genießen, aber seit der Geburt der Kinder hatte sie sehr wenig Zeit, seine Welt zu teilen, und seine Beteiligung am Erledigen häuslicher Pflichten schien ihr nicht mehr Zeit zu geben, sondern sie noch stärker mit Haushaltsfragen zu belasten, während seine Abneigung dagegen wuchs.
«Ich bin Hausfrau mit Leib und Seele», sagte Doris oft stolz. Ihre Rosigkeit und Weichheit fanden großen Anklang bei Rogers Freunden, und diejenigen, die homosexuell veranlagt waren und sich nach einer Familie sehnten, nutzten ihre besondere mütterliche Gabe aus, Kinder mit Liebe und Zuwendung zu überschütten. Roger entsann sich, dass jemand Doris sogar nach dem Namen ihres Parfums gefragt hatte. «Ist es nicht eine Blume?», fragte er, ehe er voller Verlegenheit bemerkte, dass es einfach der Duft ihrer Haut, ihres Wesens und ihres in natürlicher Blüte stehenden Lebens war.
«Armer Theo», sagte Doris, wobei sie wie gewöhnlich den vordringlichen Sachverhalt aufgriff und Rogers Wüstenerlebnis keinerlei Aufmerksamkeit schenkte, ja nicht einmal fragte, wie es gewesen war. Er war enttäuscht und ein wenig eifersüchtig auf Theo, der schließlich eine liebevolle Frau hatte, die mit ihm fühlte. Er wusste, dass alle wegen seines Wüstenausflugs besorgt gewesen waren, und sie hatten tagelang kaum von etwas anderem gesprochen. Bestimmt würden sie wissen wollen, wie alles ausgegangen war. Irgendwann würden sie es wissen wollen. Er hatte das Gefühl gehabt, dass Doris in den letzten paar Tagen angefangen hatte, seinen Traum und seinBedürfnis danach zu verstehen und zu teilen. Deshalb empfand er die Nachricht von Theos Erkrankung wie eine persönliche Beraubung. Wenn Leid in der Luft lag, so schien es ihm, dann sollte es auf ihn fallen wie Regen, schon deshalb, damit er die Art und Weise seines Fallens erklären, darüber berichten konnte wie ein reisender Reporter und sich den Luxus einer Schuld zuweisen konnte, von der er den Rest seine Lebens zehren würde. Die Schuld war ein neuer Gesichtspunkt. Wenn seine Wüstenbesessenheit nicht gewesen wäre …
Er wartete darauf, dass Doris ihn tadelte.
Hättest du nicht unbedingt in die Wüste fahren müssen, dann wäre Theo das nicht passiert …
Sie sagte nur: «Wir müssen Theo sofort nach Hause bringen. Raus aus dieser Hitze.»
Das Motel kam in Sicht. Sie parkten das Auto und gingen ins Zimmer, wo Theo auf sie wartete; er sah ungewohnt angegriffen aus, war aber zu beklommen, um sich damit in Szene zu setzen und in seiner Wortdürre unfähig, so wie üblich scherzhaft zu versichern, es gehe ihm «blendend».
«Tut mir leid», sagte er. «Das hat mich etwas gedämpft. Das alles.»
Er machte eine vage Bewegung mit der
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