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Auf dem Maniototo - Roman

Auf dem Maniototo - Roman

Titel: Auf dem Maniototo - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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linken Hand, als wäre der Schlaganfall Teil der Umgebung, inbegriffen in der Miete des Motelzimmers. Sie sahen, dass er beim Gehen leicht hinkte.
    «Sollten wir nicht lieber etwas essen, bevor wir fahren?», sagte Doris.
    «Ich habe noch Essen in meinem Rucksack», sagte Roger sofort. «Ich habe es nicht angerührt, nur das Wasser. Wisst ihr, wenn –»
    Sein Ausflug in die Wüste wurde ohne jedes Wort übergangen,so als wäre er gerade vom Einkaufen zurückgekommen, von einem Spaziergang auf einer belebten Straße.
    «Fühlst du dich stark genug für die Fahrt?», fragte er Theo.
    Theo nickte. Dann sagte er mit Mühe: «Ich werde alle feinen … Arbeiten aufgeben müssen.»
    «Wegen deiner Augen?»
    «Keine Feinarbeit.»
    Soweit ihnen bekannt war, bestand Theos «Feinarbeit» in Lesen, dem Mikroskopieren von Bodenproben und dem Schreiben seines Buches; abgesehen davon war er ein Mann mit «Panoramablick», ein kühner Balboa oder Cortez, je nachdem, ob man dem Dichter oder Historiker beipflichtet; aber so, wie er es sagte, schien er zu seinen gewohnten «Feinarbeiten» in der Vergangenheit zahlreiche Tätigkeiten zu rechnen, wie zum Beispiel Sticken, Spitzenklöppeln, Uhren reparieren, Bilder restaurieren, Bakterienkulturen anlegen; und so vermittelte er durch sein Verhalten den Eindruck eines Mannes mit erheblich eingeschränkter Zukunft. Keine Feinarbeit mehr! Roger sah das Mitleid in Doris’ Augen und auf ihren Lippen, deren kaum merkliche Bewegung und Feuchtheit.
    Sie beschlossen, etwas zu essen, und danach brachen sie zum Haus der Garretts auf; es war eine formelle Fahrt, auf der sie bewusst die Gegenwart ignorierten und Trinity und Irving Garrett feierlich Leben und Hausbesitz zurückgaben.
    «Nicht mehr weit bis zu den Garretts», sagte Roger.
    Er war über das, was geschehen war, bestürzt, entsetzt, verärgert. Inmitten seiner neu gewonnenen Wüstenerfahrung war es derart fehl am Platz. (Roger war ein Erfahrungssnob – die Suche nach Gott machte ihn zu einem besseren Menschen als Doris mit ihrer Suche nach Parmesan, auch wenn ihre Suchevor allem den Zweck hatte, ihn zu ernähren und sein Leben zu verlängern, sodass er seine eigene Suche fortsetzen konnte.) Er hatte nicht das Gefühl, dass Theos «Unglücksfall» in die gleiche «Klasse» gehörte wie die Zeit, die er in der Wüste verbracht hatte, oder wie die Verletzung oder Krankheit, die er möglicherweise auf seiner Reise in die «echte» Wüste erleiden würde. In einem Motel krank zu werden! Auf einem Parkplatz für Menschen! Er hatte das Gefühl, dass er ihnen jetzt noch nichts von seinem Erlebnis erzählen konnte (das in seinem Bewusstsein langsam Bedeutung und einen Hauch von Göttlichkeit gewann), dem Erlebnis mit dem Hasen, der in seinem Schatten Zuflucht gesucht hatte. Offensichtlich fand er es nicht unter seiner Würde, dass sein eigener Schatten einige Augenblicke lang als Parkplatz benutzt worden war!

31
    Allein im Haus der Garretts, genoss Zita die intensiv erlebte Abwesenheit von Theo, Roger und Doris. Sie dachte an Roger in der Wüste und hörte ihn im Geiste mit seinem Oxford-Akzent sprechen, über seine «echte» Expedition. Wenn er redete, schien er den anderen immer überlegen. Diese Einstufung nach dem Tonfall faszinierte sie und ängstigte sie manchmal auch, als ob die Aussprache eine Angelegenheit auf Leben und Tod wäre, und sie verstand nun, warum ihre Mutter nie den Mut gehabt hatte, Englisch zu lernen, obwohl das neuseeländische Englisch – als Abkömmling der englischen Hochsprache mit anderen Sprachvarianten und polynesischer Intonation verwandt – eine angenehme Neutralität besaß, so als sei es in angemessener Weise «beschnitten» oder «kastriert» worden, wie eine Katze, die eine ganze Kolonie von Jungen zu werfen droht. Rogers Stimme war die neuseeländische Rednerstimme, die eines Lehrers oder mancher Radiosprecher, die geschult waren. «Three tired toads trying to trot to Tilbury Towers» usw. Aber sie unterschied sich so sehr von dem, was Zita für den «echten» Roger hielt, dass sie ihn bemitleidete. Er war nämlich das Opfer einer weiteren Sprachtäuschung, die besonders nachteilig war, da sie sich offenbarte, sobald Roger zu sprechen begann, und meist bei denen Unwillen und Spott hervorrief, die sich unangenehm an die frühere Kolonialherrschaft erinnert fühlten und sich klarerweise gegen die hochmütig-nasale Sprechweise mancher Engländer auflehnten. Und doch hörte jeder zu, wenn Roger sprach. Die

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