Auf dem Maniototo - Roman
Heerscharen von Städteplanern, Technikern, Geologen und Botanikern kennengelernt hatte, die vielleicht irgendwann einmal praktisch gearbeitet hatten, jedoch nur noch an der Theorie und am Verfassen wissenschaftlicher Arbeiten über ihren Gegenstand interessiert schienen. Jahr für Jahr schrieben und veröffentlichten sie ihre Aufsätze, und alle paar Jahre spritzten sie die erforderliche Bibliographie wie den Überschuss einer Betäubungsinjektion in den Universitätskreislauf. Zita war naiv genug gewesen, wissen zu wollen, welche Städte Irving geplant hatte. Sie war verwundert gewesen, als er sagte: «Ach, ich habe keine wirklichen Städte geplant. Ich kann dir keine Stadt von mir zeigen. Sie sind nicht gebaut worden. Meine Pläne sind Entwürfe, Studien. Das ist eine der Tatsachen des universitären Lebens. Aber ich habe eine Modellstadt. Meine Traumstadt.»
Welche Befriedigung es ihm bereitet haben musste, dachte Zita, als er erfuhr, dass er von Blenheim in Neuseeland, der Schwesterstadt von Berkeley, zum Gastexperten für Städteplanung bestellt worden war. Er hatte ihr von seinen Vorstellungen am Beginn seiner Laufbahn erzählt: Eines Tages würde er mit seinen Freunden auf einen Hügel fahren, auf eine Ansammlung von Bauten zeigen, die harmonisch mitten in einer schönen Landschaft lagen, und sagen: «Das ist
meine
Stadt.» Aber mit Fortschreiten seiner Karriere erkannte er, dass es einfacher und gewinnbringender für ihn war, ein Buch zu schreiben, das auf einer Tischplatte Platz fand, als zu hoffen, dass seine verwirklichten Träume sich über Hunderte Hektar Land erstreckten. Was immer Blenheim damals gewesen sein mochte, in gewissem Sinn hätte es Irvings Paradies werden sollen.
Allein, in Gedanken an die anderen Gäste begann Zita langsam, sich mit Theos Abwesenheit abzufinden und ihr Gefühl der Freiheit zu genießen. Sie ging im Haus der Garretts von einem Zimmer ins andere, als wären es ihre eigenen. Sie fragte sich, warum die Garretts dies alles jemandem hinterlassen hatten, den sie nicht einmal kannten. Diese Schriftstellerin unten in der kleinen Wohnung, die sich nie blicken ließ und sagte, sie sei am Überlegen, was sie mit dem Haus «anfangen» solle, und die sie – ach, wie großzügig – aufgefordert hatte, sich ein Andenken an die Garretts auszusuchen: Was für ein Anrecht hatte sie auf das Haus und alles, was dazugehörte? Sie behauptete, an einem Buch zu schreiben, und man musste ihr glauben, denn sie hatte bereits zwei Bücher geschrieben, aber heutzutage schrieb jeder an einem Buch, und man brauchte keine Katastrophe, keine einzigartige Erfahrung, bevor man sein Buch schrieb; man konnte sogar mit dem Film anfangen, dann das Buch schreiben und dann erst die Katastrophe oder etwas Einzigartiges erleben. Und was hatte Alice Thumb denn geschrieben, das die Garretts dazu bewogen hatte, ihr ihren gesamten Besitz zu hinterlassen? Noch dazu war das Testament in letzter Minute verfasst worden, als sie die Frau gerade erst kennengelernt hatten. Vielleicht lag es daran, dass sie gesagt hatte, sie habe in Blenheim, der Schwesterstadt, gelebt, und dass sie Irving davon erzählen und ihm vorschlagen konnte, was er als Gastexperte verbessern sollte.
Zita ging in die Küche und war selig darüber, dort allein zu sein. Keine Doris, kein gediegener, praktischer Mensch, einer weiblichen Ausgabe Theos nicht unähnlich, nur ohne seine Rettungsmanie. Eine potenzielle Rivalin vielleicht; andererseits war Doris zwar intelligent, verfügte über nützlicheGeographiekenntnisse, blühte und gedieh im häuslichen Leben und war eine gute, wenn auch phantasielose Köchin, aber sie war wohl kaum der Prinzessinnentyp, den Theo brauchte und gefunden hatte. Doris beharrte sicher hartnäckig auf ihrer Herrschaft über den Haushalt; außerdem strahlte sie zu viel Gesundheit aus; niemand, so dachte Zita, würde sie je zum Gegenstand von Klatsch oder von Verfolgung machen.
Zita hatte das Gefühl, dass es Jahre her war, seit sie die Möglichkeit gehabt hatte, ihre eigenen Gedanken und nicht Theos Schattengedanken zu denken. Er war so mächtig, und sie war von seinem Leben so in Anspruch genommen, dass sie keine Zeit gehabt hatte, einen eigenen Gedankengang zu verfolgen, und wenn sie es versucht hatte, dann war es immer eine Sackgasse gewesen, die sie gezwungen hatte, zur ursprünglichen Hauptstraße zurückzukehren. Außerdem war sie so beschäftigt damit, ihr Leben zu genießen und sich an ihren Kleidern zu freuen, von
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