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Auf dem Maniototo - Roman

Auf dem Maniototo - Roman

Titel: Auf dem Maniototo - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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mit den Brandmalen auf der Stirn – die würden wir weggeben. Vielleicht würde sie Roger und Doris gefallen, als typisch englisches Andenken. Und Theo kann das Arbeitszimmer mit der Wandtafel haben, auf der die komprimierte Geschichte der Menschheit dargestellt ist (die behalten wir, obwohl Doris sicher ein Auge darauf geworfen hat), und wir werden (unmerklich hatte sie die Zeitform gewechselt) zum ersten Mal in unserer Ehe ein richtiges Zuhause haben. Und manchmal werden wir in die High Sierras und in die Wüste fahren (Rogers Obsession mit der Wüste hat uns das Gefühl gegeben, dass sie ihm gehört). Und abends werden wir Dinnerpartys geben, auf dem Tisch mein Spitzentischtuch und die selbst gepflanzten Blumen, und wir werden dasitzen und uns unterhalten, und Theo wird geistreich und witzig sein und nur ein oder zwei Rettungen schildern und erklären und nur wenige der Spitzenleute in Spitzenpositionen erwähnen
    seine Rettungsaktion, sein Einfluss,
    die Leute in den Spitzenpositionen
    fabulieren, fabulieren, nur durch seinen Mut und seine Umsicht
    «Ich wusste, was zu tun war. Ich erkannte seine Begabung …»
    «Er war auf dem besten Weg, sein Leben zu vergeuden … Ein Wort von mir… Ich brachte ihn in Kontakt mit … Ich machte einen Zug mit meinem Springer, und so konnte er seinen Turm vorziehen, während der Läufer, der einen Augenblick manövrierfähig war …»
    Es war ein ruhiger Tag, an dem man nur entfernten Verkehrslärm hörte, den Gesang der vielen Vögel in der Nähe, deren Namen Zita nicht wusste und auch nicht wissen wollte,denn obwohl sie allen Lebewesen Zartgefühl entgegenbrachte, hatte sie kein Bedürfnis, die individuellen Bezeichnungen der Vögel und Bäume zu lernen und ihnen dadurch verpflichtet zu sein und gegen ihren eigenen Willen auf ihre Forderungen einzugehen. Sie war zufrieden, dass die Bäume ihr Schatten spendeten und die Vögel ihr vorsangen. Was die Blumen betraf, die sie gern hatte, kannte sie nur wenige Namen, sodass die Familie klein blieb, und schützte sich so vor dem Kummer über ihre Vergänglichkeit. Für sie waren es Blumen, die man im Garten, in ihrem Beet, zur Schau stellte oder im Haus, in einer Vase, nachdem man sie ohne den Aufschrei «Die Armen, wie grausam, sie zu pflücken!» abgeschnitten hatte. Sie pflückte sie und tauchte die Enden der Stängel in kochendes Wasser (wie wenn man ihnen die Fußsohlen verbrennt, sagte jemand entsetzt zu ihr), damit sie länger hielten, denn verwelkte Blumen waren nutzlos. Mit ihrem Englisch hatte sie nie das Stadium erreicht, wo man poetisches Entzücken an Namen empfindet, fast als hätte sie, wenn sie über das Lernen der grundlegenden Bezeichnungen hinausgegangen wäre, von der englischen Sprache erobert werden können, so unweigerlich, wie die Nationen auf der Wandtafel mit der komprimierten Geschichte der Welt erobert worden waren und ihre schmale rote oder graue oder blaue oder grüne Säule ausgelöscht worden war. Das war ein Bereich, wo sie an ihrer ungarischen Nationalität festhielt; eine kleine Säule in ihrem Inneren, die nicht ausgelöscht werden würde.
    (Auf der Wandtafel stand Folgendes:
    «Diese Tafel stellt die Entwicklung des Menschen von Anbeginn der Zivilisation bis zur Gegenwart graphisch dar. Jede Nation oder ethnische Gruppe wird durch einen Farbstreifen dargestellt; rechts daneben stehen Daten wichtiger Ereignisseund Personen. Von oben nach unten kann man den Aufstieg und Niedergang der großen Reiche, das Entstehen neuer Kulturen und die Abwanderungen anderer verfolgen. Waagrecht kann der Betrachter Entwicklungen in allen Teilen der Welt zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Geschichte überblicken. Das Maß an Ausdehnung und Niedergang der Weltmächte wird durch die Breite der Säulen angezeigt. Andersfarbige Streifen weisen auf Eroberung oder starke Beeinflussung durch eine fremde Nation hin. Wenn eine Nation ihre politische oder kulturelle Identität verliert, geht die Säule in der der Eroberer auf.»)
    Zita hatte bemerkt, dass Doris sich für die Namen der Dinge interessierte und dass Theo ihre vielen Fragen schätzte – «Siehst du die Pflanze dort, die mit den spitzen Blättern und dem roten Streifen, wie nennt man sie?» Sowohl Theo als auch Roger wussten gern Bescheid über Namen, wobei Rogers Fragen mit «warum» und Theos mit «wie» anfingen. Zita wurde klar, dass sie ein Wo-Mensch war. Sie konnte nie erklären (wie es in einem Zeitalter der Erklärungen von ihr gefordert wurde), wie

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