Auf dem Maniototo - Roman
sehr es sie freute, wenn sie Gegenstände «platzierte», wo sie ihrem Gefühl nach am ehesten «zu Hause» waren. Manchmal schien es ihr, dass sie stundenlang vor einem Möbelstück stand und zu entscheiden versuchte, welcher Platz dafür (nicht für sie selbst) am vorteilhaftesten war. Immer wieder stellte sie Möbel um, nicht in einem Zustand der Ruhelosigkeit, so wie manche Frauen Möbel umstellen, weil sie den immergleichen Anblick nicht ertragen, der auch ein innerer sein könnte, sondern weil sie das echte Bedürfnis hatte, «alles an seinem Platz» zu sehen, nicht in alphabetischer Reihenfolge oder nach irgendeinem übergeordneten «System», sondern an seinem Platz der Schönheit,wo Licht auf den Gegenstand fallen und Schattenmuster zeichnen konnte; oder Vorhänge, die so angeordnet waren, dass einem Fenster das Licht verweigert wurde, sodass dort ein dunkler Bereich entstand, wohingegen alle anderen Fenster sich mit einer schimmernd anschwellenden Welle aus flüssigem graugrünen Licht füllten, die sich ins Zimmer ergoss. Hier, im Haus der Garretts, würden es die drei Redwood-Bäume sein, deren Zweige die Wände berührten und so die helleren neuen Triebe stützten, und der rauchige, von der Bucht aufsteigende graue Nebel, die der Lichtwelle statt der üblichen südlichen Sonne ihre Farben verliehen.
Bei dieser Art von häuslicher Tätigkeit verspürte Zita ein Gefühl der Macht. Sie merkte, dass sie mit ihrem Heer von Tischen, Stühlen, Sofas, Betten und Zierleisten wirklich sie selbst sein konnte; das Teppichschlachtfeld sicherte ihr die Kontrolle über die Invasion von Sonne und Mond in den von Theo und ihr besetzten Raum, und aus ihren Spitzen-, Häkel- und Stickarbeiten wählte sie die Farben für die Fahnen aus, die sie von ihren Fenstern aus schwenken würden, um nach Hilfe zu rufen oder Sieg zu verkünden.
Wie angenehm es auf der Terrasse war! Bestimmt hatte die Hitzewelle ihren Höhepunkt überschritten? Unter dem namenlosen Baum liegend, merkte Zita, was für ein Luxus es war, sich arrangieren zu lassen, anstatt zu arrangieren – wie wenn die Sonne und ihr Blätterlicht sie dort platziert hätten. Sie schloss die Augen, und im Halbschlaf sah sie das Bild von Josefs Farm, die grellgrünen, nach dem Regen vollgesogenen Wiesen und die Erde, die auf dem Weg, wo die Kühe zum Melken geführt wurden, zu einem stinkenden Morast aufgewühlt war; so wäre es jetzt dort, im Juni. Sie erinnerte sich an den alten Kuhstall, dessen Dach der Himmel war, mit demroh gezimmerten hölzernen Trennbalken und seinen Eisenpfosten und dem Trog an der Vorderseite, aus dem die Hauskuh ihr Winterheu oder ihre Rüben fressen konnte, an die breiten, gelben, flachen Zähne der Kuh, wie Reihen abgewetzter Elfenbeinklötze. Southland. Alle sagten, es sei Rübenland – überall Mangold und Kohlrüben mit ihren schlappen Blättern und ihren kreiselförmigen Früchten, stumpfrot und sahniggelb gestreift, ihr Fleisch blassgolden, süß und saftig; und die geschnittenen Rübenstücke, wie geometrische Figuren in Form natürlicher Pyramiden und Zylinder: eine süße Geometrie, denn sie aßen diese Figuren mit Zucker bestreut.
Sie entsann sich noch, dass es auch in Ungarn Rüben gegeben hatte. Wie Southland war es Rübenland. Wenn man sie fragte, ob sie je dorthin zurückkehren würde, antwortete sie immer «eines Tages vielleicht». Aber sie wusste, dass sie Angst davor hätte. Sie erinnerte sich daran, wie sich die Soldaten auf den Straßen zu einem netzartigen Muster formiert hatten, aus dem es kein Entrinnen gab, und dass sie gesehen hatte, wie die Fliehenden erschossen wurden, dort, wo vor nur einem Jahr im selben Muster Jubelrufe erschallt und Fähnchen geschwenkt worden waren und eine Kapelle gespielt hatte, als die Armee die Straße entlangmarschierte.
Theo war ein guter Mensch. Sie würde Theo nie aufgeben. Er hatte sie gerettet. Nun würde sie an ihm festhalten, und selbst nach seinem Tod würde sie ihm nahebleiben, so wie die blaue Blume – wie hatte Doris sie schon genannt? – erst gestern hatten sie davon gesprochen –, ach ja, Purpurwinde; sie klammert sich an die Rinde des Baumes, der ihr Halt gibt, auch wenn der Baum abgestorben ist, ohne Blätter, ohne Krone, ohne Zweige.
Zita erwachte plötzlich aus ihrem Halbschlaf. Sie hörte,wie das Auto abgestellt wurde. Roger war aus der Wüste zurück.
«Theo!»
Sie hatte das Gefühl, als wäre ihr Leben unterbrochen gewesen und beginne jetzt
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