Auf dem spanischen Jakobsweg
begegnet — ein Bett gefunden haben.
So kommen wir hier mit ihm, unserem Heiligen, natürlich auch ins Gespräch.
Erfahren, dass er Holländer ist, schon im Mai dort seinen Pilgerrucksack
aufgesetzt hat und die ganze Strecke, weit über zweitausend Kilometer, bis
hierher zu Fuß gegangen ist. Er erzählt uns von vielen Nächten im Freien, von
Wind und Regen und Kälte, aber auch von Bauern in Frankreich, die ihn, den
alten Mann, aufgenommen und beköstigt, ihm ein Bett gerichtet haben und dass er
Maurits heißt, erfahren wir auch.
Doch dann
sehe ich plötzlich die Augen meines Vetters funkeln und da weiß ich schon, dass
jetzt gleich etwas kommt.
„Maurits, du
musst aber viele und große Sünden haben, wenn du einen so weiten Weg gelaufen
bist?“
Aber er sagt
es eben mit soviel Gutmütigkeit in Gesicht und Stimme, dass sogar unser
Heiliger lächeln muss. Allerdings ohne eine Antwort zu geben. Aber schon sein
Lächeln sagt, dass die Sache mit den großen Sünden schon richtig sein könnte.
Gegen Abend
gehen wir gemeinsam hinaus in die holprigen Gassen der Altstadt von Ponferrada,
in die Basílica Nuestra Señora de la Encina und schließlich auf den kleinen
Platz nahe dieser Kirche, wo wir uns in ein Straßencafö setzen. Hinter uns, im
dazugehörigen Restaurant, wird eine Hochzeit gefeiert. Mit einer schönen,
jungen und schon respektabel schwangeren Braut, mit einem etwas ratlos
wirkenden Bräutigam, ganz so, als könne er nichts für seine schon sichtbaren
Taten, und mit vielen ausgelassenen Hochzeitsgästen, die wirklich nichts dafür
können.
Alberto
kommt vorbei, unser Pilgerfreund aus Brasilien, den Rucksack noch auf dem
Rücken und strahlend vor Freude, uns wiederzusehen. Nein, von Octavio weiß er
nichts, der müsse schon weiter sein, und Paolo habe er auch nicht mehr gesehen
— und, aber da lacht er übers ganze Gesicht, „weiß der Himmel, wo der wieder
steckt.“ Wir erklären ihm den Weg zur nahe gelegenen Herberge und fordern ihn
sehr eindringlich auf, noch auf ein Glas Wein vorbeizukommen, auf jeden Fall.
So sitzen wir noch lange hier, inzwischen hat sich die Nacht um das erleuchtete
Städtchen gelegt und wir und Maurits, unser Heiliger, trinken Rotwein, es ist
doch schön, so eine Pilgerreise, wenn man abends beim Wein sitzt und die
Menschen beobachten kann, die schönen Spanierinnen vor allem, das sind doch die
schönsten Frauen auf der Welt. Mit ihren dunklen Augen, voll von Witz und
Lebensfreude, und mit ihrer zarten Haut, da sind wir uns einig, auch wenn unser
Heiliger nur nickt. Wir trinken noch einen Rotwein und dann noch einen.
Bevor wir in
die Herberge zurückgehen, schlendern wir durch die schmalen, dunklen Gassen.
Und dann passiert es. An einer Ecke, Heinz hat noch nicht den Bürgersteig
erreicht, schaut auch in die entgegengesetzte Richtung, stößt ein Pkw plötzlich
und mit unkontrollierter Wucht zurück und auf ihn zu. Nur noch wenige Zentimeter
und er würde unseren Gefährten umwerfen und auch für ihn wäre die Pilgerreise
ans Grab des Apostels vorzeitig zu Ende. Aber da reißt ihn Maurits reflexartig,
in letzter Sekunde, auf die Seite.
Wir aber
waren uns von da an einig, dass unser neuer Freund nicht nur ein Heiliger,
sondern der „Liebe Gott“ selbst war.
Andere sahen
das ganz anders. Als ich am nächsten Morgen in den kleinen Waschraum komme,
haben Al und Mike einen Riesenspass miteinander, irgend etwas besonders
Komisches muss passiert sein, aber sie sprechen gar nicht darüber, fortwährend
lachen sie nur, mal einzeln, was dann den andern wieder stimuliert, dann lachen
sie wieder im Duett und dann ist plötzlich mal Pause. Mike macht mit dem Mund
ein Geräusch, das üblicherweise an ganz anderer Stelle des Körpers von sich
Reden macht und da müssen die beiden alten Kindsköpfe wieder furchtbar lachen.
Langsam schwant mir etwas, mitlachen muss ich ohnehin schon, auch wenn ich
nicht wirklich weiß, worüber eigentlich gelacht wird. Aber dämmern tut mir die
Sache doch allmählich. Dennoch, obwohl ich schon mitlache, die beiden Engländer
verspüren bei mir wohl noch einen Rest von Verunsicherung und fragen mich, ob
wir denn heute Nacht nicht die Kanonaden des „Schweren Kreuzers Rotterdam“
gehört hätten, da wäre doch beinahe die ganze Bude eingestürzt.
Ja, doch,
auch wenn es gegen den „Lieben Gott“ ging, da hatten die beiden Jakobspilger
aus England recht, das, worüber sie fortwährend lachen mussten, waren zwar
keine neuen Töne in der Pilgernacht,
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