Auf dem spanischen Jakobsweg
gewordenen
Beine. Immer weiter, Schritt für Schritt, dumpf und gleichmäßig wie ein
Lastenesel.
Die
Schutzengel der Pilger brennen auf den Scheiterhaufen
In
Ponferrada, die Herberge ist noch geschlossen, stehen wir unverhofft vor einer großen,
ja mächtigen Burg. Mit Türmen und Zinnen bewehrt, hinter Wall und Graben, mit
Zwinger und Burghof, Wachtturm und Wehrgang, Festsaal und Verlies. Eine Burg
wie aus Märchen meiner Kindheit, von Geheimnissen umweht und auch etwas
bedrohlich. Jedenfalls möchte man meinen, dass hier vor sagenhaft langer Zeit
ein reicher und mächtiger König lebte, der die Freier seiner schönen Tochter
auf harte Proben stellte.
Doch diese
Burg gehörte Männern, die unbedingten Gehorsam, völlige Armut und Keuschheit
geschworen hatten und, als viertes Gelübde, die Verteidigung und den Kampf
gegen die Muslime im Heiligen Land. Hierzu gehörte es auch, den Schutz der
Pilger zu den Heiligen Stätten — und später eben auch auf ihrem Weg nach
Compostela — zu übernehmen. An vielen Orten des Jakobsweges sind wir ihnen, den
Templern, schon begegnet, gestern erst an der Kirche Santa Maria in Rabanal.
Diese Burg hier, in Ponferrada, legt besonders einprägsam Zeugnis ab über
diesen christlichen Ritterorden.
Im Jahre
1119 von dem französischen Ritter Hugo von Payns mit acht weiteren
Standesgenossen in Jerusalem, ganz nahe dem früheren Salomontempel, gegründet
und von Bernhard von Clairvaux mit einer strengen Ordensregel ausgestattet,
hatte dieser mönchische Ritterorden in ganz Europa breiten Zulauf, kam schnell
zu Ansehen und großem Reichtum. Die Privilegien des Papstes, dem allein die
Templer unterstanden, zahlten sich aus. Aber Reichtum verweltlicht, macht
übermütig, schafft Neider und weckt Habgier.
Der
französische König Philipp IV. brauchte Geld, seine Feldzüge verschlangen große
Summen und nicht immer gingen sie zufriedenstellend aus. Die wackeren Flamen
hatten ihm im Jahre 1302 in der sogenannten „Sporenschlacht“ sogar eine
Niederlage beigebracht. Zu allem Ungemach war für seine Schwester auch noch
eine hohe Mitgift von Nöten. Hatte er sogar schon ein paar Jahre vor der
„Sporenschlacht“ die Templer um 500 000 Livres anpumpen müssen. Die Männer in
den weißen Mänteln mit dem roten Kreuz auf dem Rücken zierten sich nicht, wenn
sie dem König zu Gefallen sein konnten.
Doch das reichte
natürlich alles nicht, auch nicht, dass er die vermögenden Juden seines Reiches
verhaften ließ und deren Vermögen in Sicherheit brachte, in seine Sicherheit,
versteht sich. Größeres, viel Größeres musste geschehen und mit den Templern,
vor allem mit ihren Reichtümern, hatte er noch Großes vor.
Da
verbreiten sich plötzlich, wie gut für Philipp, üble Gerüchte über den Orden
mit seinen in der Tat streng geheimgehaltenen Ritualen: Novizen müssten bei
ihrer Aufnahme in den Orden Christus verleugnen, auf das Kreuz spucken und
unanständige Küsse mit ihrem Präzeptor tauschen. Widernatürliche Unzucht würden
die Templer sogar erlauben, in ihren Messen aber nicht einmal die Hostien
weihen und, am schlimmsten von all diesen grässlichen Dingen, sie würden sogar
Götzenbilder anbeten.
Na, wenn
sich daraus nichts machen ließe, vor allem wenn man in dieses schwelende Feuer
noch ein bisschen hineinblasen würde. Vielleicht durch eine spezielle
Arbeitsgruppe? Die wurde vom König mit dem Staatsrat Wilhelm von Nogaret an der
Spitze gebildet.
Dumm ist
nur, dass diese Kerle in den weißen Mänteln allein der Rechtsprechung des
Papstes unterstehen. Aber was die da so treiben, ist das nicht sogar Ketzerei?
Eine Sache für die Heilige Inquisition? Die ist doch auf die Bischöfe und
Kardinäle delegiert, die könnten doch für Abhilfe sorgen. Außerdem darf dort
auch gefoltert werden, da kommt die Wahrheit schnell an den Tag. Doch auch die
Inquisitionstribunale werden vom Heiligen Offizium in Rom gesteuert, nicht von
ihm, dem König. Man braucht eben den Papst. Den elenden Bonifaz, wie er Papst
Bonifaz VIII. im kleinen Kreis nannte, der immer meinte, er sei der Größte und
das auch noch in seine Bulle „Unam Sanctam“ hat hineinschreiben lassen, den ist
er bereits los, den hatte Nogaret in Italien im Jahre 1303 festgesetzt und
seine Befreiung durch die Bürger von Anagni, seinem Heimatort, hatte ihm auch
nichts genutzt, er war gleich darauf verstorben. Jetzt aber haben wir da doch
den Clemens, Papst Clemens V, bei dessen Wahl hatte er etwas nachgeholfen.
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