Auf dem spanischen Jakobsweg
aber eine andere Intonation war das. Es
war nichts Laues, nichts Halbherziges, nichts von der Verzagtheit, wie sie
entsteht, wenn etwas unterdrückt werden soll und doch nicht ganz unter
Kontrolle zu halten ist.
Da hätte
auch unser Martin Luther seine Freude gehabt, der ja schon vor ein paar hundert
Jahren solche Phänomene mit Aufmerksamkeit beobachtet, mit Scharfsinn gedeutet
und eben konstatiert hat, dass „aus einem verzagten Arsch kein fröhlicher Furz
kommt“.
Beim
Hinausgehen aus dem Waschraum frage ich mich dann allerdings, ob es sich bei
unserem neuen Freund vielleicht doch nicht um den Lieben Gott schlechthin
handelt, vielleicht doch nur um einen Naturgott, Donar zum Beispiel, oder
irgendeinen anderen aus der Ahnenreihe göttlicher Donnerer. Ich werde es wohl
nie richtig erfahren.
Das
betrunkene Mönchlein aus Thüringen
Wie wir am
Morgen in Ponferrada aufbrechen, ist die Luft schwül und feucht und vereinzelt
fallen auch ein paar Regentropfen. Maurits hat sich zu uns gesellt und so haben
wir heute mal zu viert die Herberge verlassen. Wir werden nach Villafranca del
Bierzo laufen und dort, am Fuße des Kantabrischen Gebirges, übernachten.
Zuerst, noch
in Ponferrada, müssen wir über steinerne Treppen zum Flüsschen Sil
hinuntergehen, dieses auf einer Brücke überqueren und einige Zeit an seinem
Ufer entlanglaufen. In dem sich anschließenden Stadtteil wird deutlich, dass
Ponferrada auch ein Industrieort ist, mit Kohlehalden, Fabrikschloten und viel
Asphalt. Sobald wir aber diese Vororte hinter uns haben, laufen wir — die
Regenwolken haben sich schon jetzt aufgelöst und es wird wieder heiß werden —
zunehmend in eine Gartenlandschaft hinein, deren Böden nicht nur fruchtbar
sind, sondern überdies mit dem Wasser feucht gehalten werden, wie es in vielen
Bächen und auch in einigen Flüsschen aus dem Gebirge ringsum ab läuft. Nach
unseren vergangenen Wanderungen durch versteppte Hochebenen sind wir in der
grünen Oase des Bierzo, also der Ebene zwischen den Leonesischen Bergen und dem
Kantabrischen Gebirge, angekommen. Die Landschaft mag gelegentlich ein wenig an
die Toskana, mehr noch an manche Weinanbaugebiete in Franken erinnern, aber das
Bierzo hat dennoch sein eigenes Gesicht, seinen eigenen Charakter. Dazu mögen
die umliegenden Bergketten beitragen, sicherlich aber die Tatsache, dass man
diesem Landstrich noch nicht die Uniform aus der phantasielosen
Schneiderwerkstatt einer Flurbereinigungsbehörde verpasst hat. Alles scheint in
diesem Garten Eden zu wachsen: Gemüse, Mais, Getreide, Paprika, Kartoffeln,
Mandelbäume, Esskastanien, Kirschen, Äpfel, Birnen, Aprikosen — und vor allem
Wein, ein kräftiger Rotwein, dessen Kraft wir bereits gestern Abend in
Ponferrada erlebten, eine Kraft auch, vor der schon Hermann Künig von Vach,
unser Servitenmönch aus Thüringen, in seinem Pilgerführer vom Jahre 1495
warnte:
Darnach hastu 5 myl gen
Willefranken
da drinck den wyn mit klugen
gedancke
dan er bornet [brennt] manchem
abe syn hertz
das er ussgeht als ein kertz
Nur der
Himmel wird es noch wissen, was dort unserem Mönchlein aus Thüringen vor über
fünfhundert Jahren widerfahren sein mag. Musste ihn am Ende gar die Wirtsmagd
unter dem Tisch vorziehen? Mein Gott, wenn das der Heilige Vater in Rom
erfährt! Doch vielleicht musste seine Sorge am nächsten Morgen doch nicht so
groß sein. In Rom regierte zu dieser Zeit Papst Alexander VI. und da fielen,
beim Weintrinken mit ihm, gelegentlich ganz andere Zelebritäten als ein
Mönchlein aus Thüringen unter den Tisch. Und das schon beim ersten Gläschen, so
stark war dieser Wein. Auch die Wirtsmagd konnte da nichts mehr ausrichten. Das
haben wir schon alles in Viana, an der Grabplatte von Cesare Borgia erfahren.
Am frühen
Nachmittag kommen wir bei der berühmten Jakobs-Kirche von Villafranca an, die
unmittelbar vor dem Ortseingang liegt. Diese einschiffige, romanische Kirche,
kraftvoll und archaisch wirkend, hat gegen Norden ein sehenswertes
Seitenportal, die Puerta del Perdón, also die „Pforte der Vergebung“. Verziert
ist sie mit der Legende der Heiligen Drei Könige aus dem Morgenland. Vielleicht
weil auch diese Männer eine lange Wanderung hinter sich hatten? Mit dieser
Pforte hatte es in der alten Zeit eine besondere Bewandtnis. Die Pilger, die
hier in Villafranca ankamen, waren schon sehr lange unterwegs, hatten für die
heutige Zeit unvorstellbare Strapazen und Gefahren auf sich genommen, waren
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