Auf dem spanischen Jakobsweg
ausgelaugt,
zum Teil krank und viele am Ende ihrer Kraft. Nach Compostela war es zwar,
gemessen an den endlosen Wegen, die hinter ihnen lagen, nicht mehr weit. Aber
vor ihnen lag eine letzte, Furcht einflößende Barriere: Sie mussten noch auf
den Gipfel des Cebreiro, über das Kantabrische Gebirge, steigen, um nach
Galicien hinunter zu kommen und dort am Ende das ersehnte Ziel zu erreichen.
Diese Berge wurden vielen zum Verhängnis. Papst Calixtus III., ein Spanier
übrigens, hatte da Mitte des 15. Jahrhunderts ein Einsehen. Alle schwerkranken
Pilger, denen die Fortsetzung ihrer Pilgerschaft nicht mehr zugemutet werden
konnte, so verfügte es der Papst, erhielten bereits hier in der kleinen
Jakobskirche den totalen Ablass, die Vergebung aller ihrer Sünden, was sonst ausschließlich
am Grab des Apostels gewährt werden durfte.
In der Herberge von Don Jato
In
Villafranca steht nahe der Jakobskirche eine moderne Herberge, die die Kommune
vor nicht langer Zeit erst eingerichtet hat. Doch in diesem Kleinstädtchen gibt
es, ebenfalls unweit der Jakobskirche, auch Jatos Refugio. Er betreibt diese
Herberge mit seiner Familie und wir hatten schon viel von ihm gehört, dass er
ein subtiler Kenner der Geschichte und der Mysterien des Jakobsweges sei, dass
er die eingefallene historische Pilgerherberge von Villafranca nach alten
Plänen wieder aufbaue und dass er eben eine Privatherberge ohne Komfort, aber mit
viel Atmosphäre betreibe. Natürlich wollen wir in diesem Refugio übernachten.
Jatos
Herberge ist nicht leicht zu beschreiben: Ein Mixtum compositum aus dicken
Plastikplanen und ein paar alten Mauern, ein Hauch von Zirkuszelt und
Beduinenlager, von Baustelle und Trödelladen, ein bisschen Obdachlosenasyl und
eine von der Natur schon fast wieder zurückeroberte Steinterrasse, wo man
sitzen, aber auch seine Kleider waschen kann. Und eine herrliche Kneipe, mit
langem Tresen und fast ebenso langen hölzernen Tischen und Bänken, an
Piratenzeiten erinnernd, an Karawansereien, an Menschen, die unterwegs sind und
für ein paar Stunden Geborgenheit suchen, Geschichten erzählen oder anderen
dabei zuhören wollen, Wein trinken und ausruhen möchten. Hier gibt es keine
Rezeption und kein Getue, man geht einfach hinein, sucht sich ein Bett, duscht,
setzt sich in die Kneipe, lässt sich einen Stempel in den Pilgerausweis drücken
und bestellt das „Pilgermenü“. Heute Pommes frites mit Gemüse, dann
Tomatensalat mit Zwiebeln und Paprika, gebackenen Schinken mit Spiegeleiern,
danach Käse, schließlich noch ein paar Äpfel und natürlich zu allem Weißbrot
und Wasser. All das für etwa sieben Mark. Die Übernachtung ist ohnehin wie in
fast allen Pilgerherbergen kostenlos, aber natürlich gibt man eine Spende,
bevor man weiterzieht.
Gestärkt von
diesen kräftigen Erzeugnissen aus der fruchtbaren Erde des Bierzo, bummeln wir
durch die alten Mauern dieses Städtchens aus dem 11. Jahrhundert. Zuerst vorbei
an der ausladenden Burg der Markgrafen von Villafranca, dann durch die Calle
del Agua mit ihren weißgekalkten Häuschen und den aus massiven Steinen gebauten
Patriziergebäuden, als solche ausgewiesen durch ihre eingemeißelten
Familienwappen. Und immer das Plätschern des kanalisierten Baches in den Ohren,
was der Gasse, immerhin die Hauptstraße im Mittelalter, wohl den Namen gegeben
hat. Ein Blick noch in die Kirche Santa Maria, die auf den Fundamenten einer
älteren kluniazensischen Kirche errichtet ist und ein Besuch der prunkvollen
Kirche San Nicolás aus dem 17. Jahrhundert.
Wir sind
heute etwas müde, nicht richtig bei der Sache und laufen ohne größere Begeisterung
durch diese Kirchen. Vielleicht sind wir im Unterbewusstsein schon auf der
morgigen Etappe über das Kantabrische Gebirge, von der wir ahnen, dass es
unsere härteste auf dem langen Weg nach Santiago sein wird. Schließlich finden
wir an einem schönen Platz, unter Arkaden, ein Straßencafé und trinken ein
Bier. Lange halten wir es aber auch hier nicht aus. Magisch zieht es uns in
Jatos Herberge zurück.
Hier sitzen
wir dann bei einem Humpen Rotwein vom Fass und halten „Kriegsrat“. Wie sollen
wir das morgen angehen? Um auf den Gipfel des Cebreiro zu kommen, gibt es für
Fußpilger zwei Möglichkeiten. Man kann, das sind dann etwa 28 Kilometer, durch
das enge Tal des Baches Valcarce laufen, aber dabei muss man weite Strecken
entlang der vielbefahrenen Nationalstraße gehen, die nach Lugo führt. Man kann
allerdings auch auf einsamen
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