Auf dem spanischen Jakobsweg
unsere erhitzten Köpfe, Arme und Beine. Wir ahnen schon,
dass noch einiges auf uns zukommt, bis wir den Cebreiro-Gipfel erreicht haben
werden.
Zunächst
geht es auf dem Sträßchen weiter, aber dann zweigt nach links ein Pfad ab und
führt uns schon nach kurzer Zeit steil nach oben. Zwar können wir hier im
Schatten eines niedrigwüchsigen Laubwaldes wandern, aber unser Pfad mit den
glatt geschliffenen Steinen ähnelt mehr dem Bett eines ausgetrockneten Baches.
Dies ist wirklich eine besonders urwüchsige Teilstrecke auf dem Jakobspfad und
obwohl wir wegen unserer Anstrengungen in der brütenden Hitze patschnass
geschwitzt sind, freuen wir uns über dieses einprägsame Stück Natur.
Gelegentlich bleiben Maurits und ich — die andern Drei sind weit zurückgefallen
— dort, wo der Wald den Blick auf die immer grüner werdende Berglandschaft
freigibt, stehen, atmen durch, wischen uns den Schweiß aus dem Gesicht,
bewundern die herrliche Aussicht auf die Berge und klettern dann unbekümmert
wie zwei Bergziegen weiter. Nur der Durst plagt uns jetzt gewaltig, unsere
Wasserflaschen sind längst leergetrunken.
Endlich wird
unser Weg flacher, wir kommen nach kurzer Zeit aus dem Wald heraus und vor uns
liegen ein paar geduckte, verwitterte Bauernkaten, umgeben von einer Mauer aus
Natursteinen, teilweise von Unkraut und Flechten zugewuchert. An diese Mauer
ist, einem hohen Grabstein nicht unähnlich, ein Brunnen angefügt, der durch ein
Metallröhrchen eiskaltes Bergwasser in einen großen, steinernen Viehtrog
schüttet. Wir sind am Bergdörfchen La Faba angekommen. So wissen wir aber auch,
dass bis zum Gipfel noch weitere 400 Höhenmeter zu überwinden sind, obwohl man
schon hier den Eindruck gewinnen könnte, man wäre jetzt endlich oben.
Es geht nach
der Erfrischung am Brunnen, wir haben den Wasserstrahl lange Zeit auch über
unsere heißen Köpfe laufen lassen, weiter aufwärts. Den Wald haben wir jetzt
hinter uns gelassen, wir laufen über freie Berghänge durch Ginster und
Heidekraut, gelegentlich ragen auch kahle Felsen hervor. Aber da quellen am
Himmel, aus Nordwesten, Wolken heran, die sich mit dramatischer Dynamik
ineinandertürmen und schnell dunkler werden. Wir erreichen noch eine
offenstehende Scheune am Ortseingang von Laguna de Castilla, dem letzten Dorf
vor dem Gipfel, als plötzlich taubeneigroße Hagelkörner durch die Luft sausen,
zwar nicht in geballter Ladung, sondern einzeln, wie verirrte Querschläger,
unberechenbar in ihrer Flugbahn und mit derbem Knall beim Aufschlag. In wenigen
Minuten ist zwar der ganze Spuk vorbei, aber ringsum wird es zunehmend dunkler,
irgendwo zucken die ersten Blitze und man ahnt, dass wir gerade nur das
Präludium erlebt haben.
In unserer
Scheune hatten sich schon vor uns die jungen Spanier untergestellt, denen wir
heute Morgen in den Bergen des Monte del Real begegnet waren. Wo aber bleiben
Maria, Paolo und ihr Gefährte? Doch auch die treffen nach kurzer Zeit in der
Scheune ein, kommen mehr angesaust als angelaufen, sind völlig durchgeschwitzt.
Und dann geht es richtig los. Es blitzt und donnert so urgewaltig, dass man
glauben möchte, allein unsere Scheune stünde im Visier der himmlischen
Granaten. Der Wind peitscht kleinere Hagelkörner mit einer solchen
Geschwindigkeit und in solchen Massen vor sich hin, dass wir das große
Scheunentor zuschieben müssen, um nicht selbst in dieses Geprassel zu geraten.
Draußen häufeln sich die Hagelkörner an wie Kieselsteine auf einem
Friedhofsweg.
Auch jetzt ebbt
der Hagel schnell ab, geht aber in strömenden Regen über. Werden wir heute
hier, in dieser Scheune übernachten müssen? Auch das wäre kein Unglück. Wir
sitzen einfach hier, geduldig an unsere Rucksäcke gelehnt, und plaudern
miteinander. Pilger haben Zeit und Geduld. Schon lange ist uns das Maß für die
Zeit verloren gegangen, sie ist auf diesem Weg ganz unwichtig geworden.
Nach knapp
zwei Stunden ist der Regen weitergezogen. Wir setzen unsere Rucksäcke auf,
greifen nach unseren Pilgerstöcken und steigen gemeinsam die letzten Kilometer
hinauf auf den Gipfel des Cebreiro, vorbei am Grenzstein zwischen den
historischen Regionen Kastilien und Galicien.
Ein Mirakel
auf dem Cebreiro
In dem
kleinen Dorf Cebreiro, auf der Spitze des gleichnamigen Gipfels gelegen, steht
seit kurzer Zeit eine geräumige moderne Herberge, in der wir noch Platz finden.
Obwohl wir heute vor dem Regen rechtzeitig in die Scheune flüchten konnten,
sind jetzt alle meine
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