Auf dem spanischen Jakobsweg
müsste, um sie vor
der Tollwut zu schützen, wo doch bei dieser Gluthitze, wie sie sich jetzt am
Nachmittag ausgebreitet hat, ohnehin schon genügend Esel aus ganz Europa hier
herumlaufen, noch dazu mit dem Rucksack auf dem Rücken. Ich spucke in den Arga
hinunter und schäme mich plötzlich meiner albernen Gedanken. „Heiliger Jakobus,
übe Nachsicht mit deinem treuen Pilger und seinen Albernheiten.“
„Du bist
nicht nur albern, du bist sogar boshaft gegen die heilige Quiteria. Aus dir
wird wohl nie ein richtiger Pilger, schon gar kein treuer.“
Nachdenklich
gehe ich den Arga entlang bis Larrasoaha, wo wir in der Herberge übernachten
wollen.
Beim Alcalden
von Larrasoña
In der
Pilgerherberge von Larrasoaña empfängt uns Tobias, der vorausgegangen war. Aber
sofort haben wir auch den Herbergsvater, Señor Santiago Zubiri, an unserer
Seite. Ein untersetzter, vor Lebendigkeit vibrierender Mann in den besten
Jahren, ein tanzender Stein mit lustigen Augen und zupackend er Gestik, mit
einer Grandezza, die mehr Temperament und Energie als Feierlichkeit ausdrückt.
Wir werde nbegrüßt wie die langjährigen Stammgäste eines familiären Tiroler
Landgasthofs. Herzlich willkommen seien wir, und er freue sich, dass wir nun da
sind. Sicher hätten wir bei dieser Hitze großen Durst, aber unten im Garten,
einen Stock tiefer, gäbe es eine kleine Küche, im dortigen Kühlschrank stünde
eiskaltes Wasser, kälter noch als das aus der Leitung. Natürlich könnten wir
auch gleich duschen und unsere verschwitzten Kleider waschen, alles stünde uns
zur Verfügung. Wir sollten ein bisschen ausruhen, aber um 17 Uhr würde ein
kleines Geschäft in der Nähe öffnen, wir müssten nur hundert Meter nach links
gehen.
Dort gäbe es
alles, was ein Pilger braucht. Und abends könnten wir dann nebenan im
Restaurant essen, für Pilger natürlich mit Preisnachlass. Mit unserem Eintrag
ins Pilgerbuch hätte es Zeit, irgendwann sollten wir in sein Büro im Zimmer
nebenan kommen, die Türe stünde immer offen, und dort bekämen wir dann auch
unseren Stempel in den Pilgerpass.
Die
Liebenswürdigkeit, ja Herzlichkeit, mit der dieser Mann jeden einzelnen Pilger
empfängt, überträgt sich auf die ganze Herberge, auf die Pilger wie auf die
Einrichtung. Alles strahlt Wärme und Fürsorge aus.
Wir gehen
genau nach den Ratschlägen von Señor Zubiri vor. Zuerst trinken wir unten in
der kleinen Küche so große Mengen eiskalten Wassers, dass man um die
Druckventile im Innern unseres Körpers fürchten muss. Jedenfalls ist es
erstaunlich, wieviel kaltes Wasser ein Pilgerbauch an derart heißen Tagen
aufnehmen kann. Dann geht es unter die Duschen. Am Ende eines solchen Tages ist
das ein ganz besonderer Genuss. Und so sind die Mühen des Pilgertags schnell
verflogen, wir fühlen uns gleich wieder pudelwohl.
Allerdings
müssen wir jetzt täglich die staubigen und verschwitzten Kleider des gerade
abgelaufenen Tages waschen. Mehr als zwei Garnituren wollten wir auf keinen
Fall mitnehmen, weil unser Rucksack sonst zu schwer geworden wäre. Wir hatten
uns als Limit 13 bis 15 Kilogramm gesetzt, je nachdem, wieviel Wasservorrat man
auf den einzelnen Etappen dabei haben muss. Die Wäsche unserer Kleider besteht
darin, dass wir unsere Sachen durch kaltes Seifenwasser ziehen und dann
irgendwo aufhängen. Die Hitze sorgt dafür, dass alles schnell trocknet.
Tröpfchenweise
kommen jetzt andere Pilger an und füllen langsam die Herberge. Fast alles
bekannte Gesichter aus der Herberge in Roncesvalles, aber auch vom Camino, wo
man von anderen Pilgern überholt wurde oder selbst welche überholt hatte.
Manchmal hatte man sich auch an irgendeinem Pilgerbrunnen, in einer Kirche oder
in einer Bar beim beliebten „café grande con leche“, also beim großen
Milchkaffee, getroffen. Man ist ziemlich vertraut miteinander, spricht sich mit
Vornamen an, weiß aus welchem Land die einzelnen kommen und wie viele Blasen
man an den Füßen hat.
Das
Zusammenwachsen zu einer lockeren Art von Großfamilie — ein Engländer nannte es
vorhin die „Roncesvalles-Gang“ — , vollzieht sich dann endgültig beim
gemeinsamen Abendessen im Lokal neben der Herberge. Dort sind die Tische zu
langen Tafeln zusammengerückt. Man kann sich also mit vielen
„Familienangehörigen“ unterhalten. Geplaudert wird in vielen Sprachen, aber als
Umgangssprache setzt sich Spanisch durch. Ich bin überrascht, wie viele Pilger
aus den Ländern jenseits der Pyrenäen sich in dieser
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