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Auf dem spanischen Jakobsweg

Auf dem spanischen Jakobsweg

Titel: Auf dem spanischen Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Dannhäuser
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der alte Herr dann allerdings, vielleicht der Malaria
wegen, für einen Augenblick unkonzentriert gewesen sein. Denn das Gift, das er
einem seiner Kardinale zugedacht hatte, verschluckte er aus Versehen selbst —
und starb.
    Übrigens
hatten sie auch mit ihm posthum noch Probleme, zwar nicht mit seinen
sterblichen Überresten, wohl aber mit den zuvor von ihm bewohnten Gemächern im
Vatikan: Dahinein wollten seine Nachfolger nicht.
     
     

Die Feigen,
das Wasser und die Liebe der Doña Felisa
     
    Stark
befahrene Straßen, vergammelte und auch ganz neue Wohnhäuser, dazwischen
Fabriksgebäude, Tankstellen und Werksgelände, herumliegender Abfall,
Großbaustellen, moderne Einkaufszentren, Lärm und Gestank. Wir laufen durch die
Vororte der größeren und geschäftigen Stadt Logroño. Mit der sonst so
wohltuenden Beschaulichkeit und Stille des Jakobsweges scheint es erst mal
vorbei zu sein. Doch da zeigen die gelben Markierungspfeile plötzlich auf einen
Feldweg nach links und unsere Füße dürfen den Asphalt wieder verlassen. Wir
müssen zunächst ein bisschen steigen, doch dann fällt der Weg ziemlich steil
ab. Vor uns liegt das Ebrotal.

    So weit kommen
wir zunächst allerdings nicht. Vor dem ersten, von viel Grünzeug umwucherten
Häuschen sitzt, an einem Tisch im Schatten, eine ältere Frau und bedeutet uns
freundlich wie eine Honigverkäuferin, gleichzeitig aber auch nachhaltig wie
eine Zöllnerin, erst mal den Rucksack abzulegen. Ohne nach unseren
Befindlichkeiten zu fragen, bietet sie uns Wasser an und drückt uns Feigen in
die Hand. Von jenen Feigen, die vor ihr auf dem Tisch liegen und von Unmengen
von Fliegen belagert werden und dadurch noch schwärzer aussehen, als es ihrer
natürlichen Farbe entspricht. Einen Sello, also einen Stempel, bekämen wir von
ihr in unseren Pilgerpass auch, aber vorher müßten wir uns in das Pilgerbuch
eintragen. Außer Heinz, der seinen Pilgerpass tief im Rucksack vergraben hat, —
aber so genau wird es hier nun auch wieder nicht genommen — , kommen Tobias und
ich ohne Murren den Weisungen von Doña Felisa nach und bekommen den vielleicht
schönsten, ganz in schwarz gehaltenen Stempel in unser „Credencial del
Peregrino“ eingedrückt. „Felisa“ steht dort und „Higos, Agua y Amor“ — also
Feigen, Wasser und Liebe. Verziert sind diese Worte mit einer Jakobsmuschel,
einem Feigenblatt mit einer Frucht, einer Wasserkanne mit zwei Feigen und dem
Santiago-Kreuz. Eigentlich fehlen nur die Fliegen.
    Natürlich
legen wir vor dem Weitergehen noch ein paar Münzen in das etwas verschämt auf
dem Tisch stehende Teilerchen. Dann aber überlege ich, ob ich angesichts der
vielen Fliegen die Feigen wirklich aufessen oder doch besser heimlich wegwerfen
sollte. Letzteres käme mir allerdings wie ein Frevel vor. Wer weiß, ob man sich
mit einer solchen Untat nicht Felisas Fluch für den Rest des noch langen Weges
zuziehen würde. Vielleicht im linken Knie oder in der rechten Hüfte, je
nachdem, wohin ihre magischen Pfeile zielen würden. Also nichts wie hinunter
mit diesen Feigen. Aber dann mißfällt es mir doch, dass ich ohne jede
Abwehrmöglichkeit in diesen Feigen-Bann geraten bin. Und ich überlege jetzt,
wer wohl Felisa das Privileg gewährt haben mag, ein Pilgerbuch zu führen, die
Pilgerpässe abzustempeln und die Pilger selbst mit Feigen und vielleicht auch
Fliegenschiss zu füttern. Natürlich sieht man noch heute, dass Felisa vor
vielen Jahren eine Schönheit gewesen sein muss. Und man kann sich gut
vorstellen, dass sie damals vor einem Würdenträger, der nicht nur Feigen
schätzte, sondern auch Privilegien vergeben konnte, so lange Flamenco getanzt
hat, bis die Gefühle seines Herzens haltlos dahingeflossen sind, und sie
künftig die Pilger füttern und ihnen einen Stempel in den Pilgerpass drücken
durfte. Ich denke mir, dass das doch eine schöne Legende für den Jakobsweg
wäre. Allerdings wünsche ich mir inständig, dass die von mir soeben gegessenen
Feigen nun nicht auch meinen Magen dazu bringen werden, alles haltlos dahinfließen
zu lassen. Das jedenfalls wäre gar keine schöne Geschichte für den Jakobsweg
und schon gar nicht legendenwürdig.
     
     

Schöne
Tänzerinnen, Patrizier und Vagabunden in der Herberge zu Logroño
     
    Die
Pilgerherberge in Logroño ist geräumig, hat einen Aufenthaltsraum, eine Küche
und einen sehr schönen Innenhof. Der Empfang wirkt etwas umständlich, fast
streng, und Heinz meinte, wir müßten jetzt gleich unseren

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