Auf dem spanischen Jakobsweg
gibt es mit Überschwang aus, bringt so seine Seele
unter den Kirchenbann und in die Hölle. Vor diesen Leuten muss man sich wie vor
hungrigen Wölfen vorsehen.
Für seinen
eigenen Stand der echten Kleriker sprechen allerdings Worte der Fürsorglichkeit
aus unserem Prediger:
Was soll ich andererseits über
die schlechten Wirte sagen, die das Geld der Pilger, die in ihrem Haus sterben,
begierig behalten, anstatt es den Klerikern und Armen als Almosen pflichtgemäß
zu geben; sie seien wahrhaft verdammt.
Völlig in
Rage gerät unser Prediger schließlich bei einem anderen Thema:
Ebenso treffe der Bann die
Wirtsmägde, die sich aus Hurerei und Geldgier auf teuflisches Geheiß nachts den
Pilgerbetten zu nähern pflegen. Die Dirnen, die aus diesem Grund [...] in
waldreicher Gegend dem Pilger häufig entgegentreten, müssen nicht nur
exkommuniziert, sondern von allen geplündert und durch Abschneiden der Nase
geächtet werden. Einzeln pflegen sie sich immer einem einzelnen darzubieten.
Geliebte Brüder! Auf welche Art der Teufel seine bösen Netze nuswirft und den
Jakobspilgern die Höhle des Verderbens öffnet, vermag ich nicht zu beschreiben.
„Die Höhle
des Verderbens“, die wollte er doch nicht näher beschreiben. Schon am frühen
Vormittag komme ich in Reliegos an, wo auf einer kleinen Anhöhe eine
beeindruckende Ruine steht, zu der mein Pilgerführer leider schweigt.
Es gibt eine
Bar, dort trinke ich meinen geliebten „café grande“ und verschnaufe ein
bisschen. Später, als ich gerade meinen Rucksack wieder aufsetze, kommen meine
Freunde aus Brasilien an und wollen auch etwas trinken. Ich ziehe jedoch
weiter, heute wird es keinen Flamenco geben und ich will mir auch die Ruinen
hier noch etwas genauer ansehen.
Nach
Reliegos beginnt der Abstieg aus der Hochebene, hinunter nach Mansilla de las
Muías, in das breite Flussbett des Río Esla. In Mansilla hole ich Heinz und
Tobias wieder ein.
Mansilla ist
ein historisches Städtchen, das wahrscheinlich schon römische Wurzeln hat. Verwunderlich
ist das nicht, denn durch diese Gegend führten berühmte Römerstraßen und
kreuzten beziehungsweise vereinten sich hier, vor allem die „Via Traiana“ von
Bordeaux nach Astorga und die „Tarraco — Asturica Augusta“, die Straße von
Tarragona nach Astorga.
Das
Städtchen wirkt lebendig, sie haben heute eine Fiesta hier und wir haben Mühe,
einen offenen Laden zu finden. Es gibt viele hilfreiche Ratschläge und in der
Tat finden wir einen geöffneten Supermercado und können uns all das kaufen,
wonach uns heute der Magen steht. Die mächtige Stadtmauer ist noch teilweise
erhalten. Obwohl von anderen Bauwerken, drei größeren Kirchen und zwei
Klöstern, allenfalls noch ein paar Mauerreste übriggeblieben sind, fühlt man
die frühere Bedeutung dieses Ortes noch sehr unmittelbar. Wir laufen etwas
herum und sehen uns dann die Kirche Santa Maria aus dem siebzehnten Jahrhundert
auch von innen an. Etwas in einer Kirchenbank sitzen und nachdenken, das tut
gut.
Unmittelbar
hinter Mansilla überqueren wir auf einer historischen Brücke den wasserreichen
Río Esla und steigen hinunter in sein Kiesbett, wo wir zwischen Weidenbüschen
und Brennesseln Rast machen und unsere gepeinigten Körper ausstrecken. Zu
unseren Füßen fließt das Wasser des Flüsschens schnell vorbei. Wie viele Pilger
mögen hier schon gerastet haben? Waren ihre Gedanken noch an „ihrem“ Fluss zu
Hause, an der Seine, am Main, an der Weichsel? Oder waren ihre Gedanken schon
in Santiago? Oder nur hier an diesem Fluss?
Vor dem Ort
Villarente überqueren wir auf der historischen Puente de Villarente einen
weiteren Fluss, den Río Porma. Wegen des gewaltigen Hochwassers, den dieser zu
bestimmten Jahreszeiten führen kann, mussten er und die umliegenden Flussauen
mit zwanzig steinernen Brückenbögen überspannt werden, eine gewaltige Leistung
in grauer Vorzeit. Schon Aymeric hat diese große Steinbrücke um das Jahr 1130
bewundert. Nach der Brücke überqueren wir den Canal de Porma und müssen dann
auf die Arcahueja-Höhe hinaufsteigen. Eine halbe Stunde später erreichen wir
die Höhe des Alto del Portillo. Wir setzen uns auf eine Bank im Schatten und
trinken kaltes Wasser, das hier aus einem Brunnen sprudelt. Leichte weiße
Sommerwölkchen segeln über den hellblauen Himmelsozean und zu unseren Füßen
liegt die sehr alte und sehr schöne Stadt León, entstanden aus und benannt nach
dem im Jahre 68 nach Christus errichteten Militärlager für
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