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Auf dem spanischen Jakobsweg

Auf dem spanischen Jakobsweg

Titel: Auf dem spanischen Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Dannhäuser
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schließlich auch noch Obst. Die ganze
Zeit über unterhalten wir uns mit unserer liebenswürdigen Wirtin, schreiben ihr
etwas ins Gästebuch, ich zahle einen lächerlich geringen Betrag, wir alle
umarmen Señora Mercedes und gehen in die Pilgerherberge von El Burgo Ranero
zurück.
    Ich kann
zunächst nicht einschlafen, vielleicht weil ich zuviel gegessen habe. Der Wind
der Meseta rüttelt ungeduldig an den Fenstern, zuletzt habe ich das in der
Herberge von San Juan de Ortega erlebt. Damals klatschte auch noch der Regen an
die Fensterscheiben.
     
     

Von
Betrügern, Halsabschneidern, falschen Beichtvätern und Dirnen
     
    Wie ich am
Morgen, noch im Dunkeln, die Herberge in El Burgo Ranero verlasse, hat sich der
Wind gelegt. Auch die tiefhängenden Wolken von gestern sind weitergezogen. Man
ahnt schon in dieser frühen Morgenstunde, dass die heißen Tage wieder
zurückkommen werden.
    Ich wandere
allein durch eine einsame und schwermütige Landschaft, durch die sich immer
wieder kleine Bachläufe ziehen, die wohl ihren Ursprung im Kantabrischen
Gebirge haben, das man im Norden schon schemenhaft erkennen kann. Doch die
meisten dieser Bäche sind zu dieser Jahreszeit ausgetrocknet. Immerhin gibt es
einige Tümpel, die noch Wasser haben, gelegentlich hat man an diesen Stellen
baumbestandene Rastplätze für Pilger angelegt. Ganz allmählich wird die
Landschaft wieder hügeliger, man spürt, dass die Tischplatte der Meseta, über
die wir jetzt seit Tagen gewandert sind, langsam zu Ende geht. Unser heutiges
Ziel ist León, wir müssen gute 35 Kilometer laufen.
    Meine Gedanken
gehen nochmals zu Señora Mercedes zurück, die uns gestern Abend so gut
bewirtete. Aber nicht nur von ihr, in allen Herbergen, Kaufläden und Kneipen
sind wir Pilger mit Liebenswürdigkeit und Gastfreundschaft aufgenommen und
behandelt worden. Den Bar-Wirt von Boadilla del Camino wollte ich eigentlich
auch nicht lange am dortigen „Rollo“ angekettet haben, vielleicht ein kleines
Stündchen nur.
    ln den alten
Zeiten war das mit der Gastfreundschaft am Camino wohl nicht immer so gut
bestellt wie heutzutage. Wenn man sich die Beschlüsse des Konzils von
Compostela aus dem Jahre 1130 ansieht, vor allem aber die etwa gleichaltrige
Predigt „Veneranda dies“ aus dem „Liber Sancti Jacobi“ in dem aufschlussreichen
Buch von Klaus Herbers über den Jakobsweg nachliest, mag man ahnen, welche
Lumpereien schon in dieser frühen Zeit mit den Pilgern getrieben wurden. Da
gingen Wirte schon am Stadtrand den Pilgern entgegen und küssten sie — um sie
dann in ihre Spelunken zu locken und kräftig auszunehmen. Dazu gehörte auch, dass
man die Pilger betrunken machte, um ihnen dann im Schlaf den Geldbeutel und
andere Habseligkeiten zu stehlen. Was uns in Santo Domingo begegnet ist, diese
schöne Legende von dem unschuldigen Jüngling aus Köln, der wegen seiner
Unschuld sogar den Galgen überlebt hatte, mag jenseits der Legende einen realen
Unterbau haben. Denn in der erwähnten Predigt „Veneranda dies“ ist zu lesen:
    Ebenso müssen sich die Pilger
vor den schlechten Wirten hüten, die ihren Ring oder silbernen Becher nachts in
den Pilgertaschen und Beuteln ihrer schlafenden Gäste
verstecken; wenn dann die Pilger von der Herber ge
weggehen und
etwa eine Meile aus dem Ort herausgegangen sind, verfolgen sie diese und rauben
sie mit dieser fadenscheinigen Beschuldigung aus.
    Aber sogar
von Wirten ist die Rede, die die Pilger kurzer Hand vergiften, um in den Besitz
all ihrer Habseligkeiten zu kommen. Ein Volkslied weiß zu solchem Treiben,
sicher in der üblichen volksliedhaften Übertreibung und aus einer schon etwas
späteren Zeit, zu künden:
    Es war dem Spitalmeister nit
eben
    Vierthalbhundert Brüder hat er
vergeben
    Gott ließ nit ungerochen
[ungerächt]
    Zu Burges ward er an ein Kreuz
geheft
    Mit scharfen Pfeilen
durchstochen
    Hochkonjunktur
hatten offensichtlich auch die Weinpanscher. Dazu weiß die erwähnte Predigt,
dass man guten Wein kosten lässt, dann aber schlechten oder mit Wasser
vermischten oder gar nur Apfelwein verkauft. Ganz Schlaue hatten sogar
zweigeteilte Weinfässer. Sobald der gute Wein seine Wirkung getan hatte und der
brave Pilgersmann anfing, fidel zu werden, vielleicht ein Liedlein zu singen
oder der Wirtsmagd hinten draufzupatschen, wurde aus dem anderen Zapfhähnchen
der schlechte Wein geholt. Ganz hinterhältig war es natürlich auch — die Pilger
hatten von ihren langen Wanderungen immer schrecklichen Durst wenn

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