Auf dem spanischen Jakobsweg
blauen
Himmel haben sich bleischwere Wolken geschoben, sie hängen so massig über den
Dächern wie die schweren Körper der Kartenspieler über den kleinen Tischchen in
der düsteren Bar. Aber es wird dennoch nicht regnen. Zwar hat sich der Sturm
etwas beruhigt, aber der Wind bläst noch immer stark. Auch hier sind auf den
Straßen keine Menschen zu sehen. Alles ist grau und braun und schwer,
Melancholie und Teilnahmslosigkeit haben sich zwischen den Mauern ausgebreitet
wie ein böses Gerücht.
Unverhofft
kommt uns doch noch ein Mann entgegen und wie er uns plaudern hört, spricht er
uns in unserer Sprache an und fragt, ob wir Pilger wären.
„Weshalb
sprechen Sie so gut Deutsch?“ möchten wir wissen.
„Ich habe
über dreißig Jahre in Frankfurt gearbeitet.“
„Über
dreißig Jahre?“
„Ja,
zweiunddreißig Jahre genau.“
„Das war für
Sie sicher eine schwere Zeit!“
„Nein“, sagt
er mit traurigem Unterton, „das war eine sehr schöne Zeit.“
„Tatsächlich?“
„Ja, das war
eine wunderbare Zeit. Aber jetzt bin ich krank, kann nicht mehr arbeiten und lebe
hier bei der Familie meiner Frau. Ich selbst stamme auch aus einer großen
Stadt.“
„Hier ist es
sicher sehr ruhig?“
„Ja“, seufzt
er, „das ist für mich nicht einfach.“
Wir plaudern
noch etwas mit ihm, dann geben wir ihm die Hand. Da werden plötzlich seine
Augen feucht:
„Grüßen Sie
Deutschland von mir, bitte.“
Señora
Mercedes verwöhnt die Pilger
Im
Restaurant der Bar, wo wir vorhin vor dem großen Wandfresko unseren Kaffee
getrunken haben, gibt es heute kein Abendessen. Vielleicht weil Sonntag ist und
der Wirt sich um die Kartenspieler kümmern muss, vielleicht hat er heute auch
keine Lust, in der Küche herumzustehen.
Ich will nun
meine beiden Gefährten endlich zum Abendessen einladen, mein Geburtstag liegt
schon einige Tage zurück.
Paolo, der
auch in der Herberge angekommen ist, hat herausgefunden, dass es ganz in der
Nähe eine kleine Fonda gibt, er ist schon dort gewesen und meint, dass Señora
Mercedes uns vielleicht etwas kocht. Wir sollten doch mal unser Glück
versuchen.
So machen
wir uns auf den Weg. An der Fonda angekommen, müssen wir weder eine Glocke
betätigen, noch klopfen. Die Türe des kleinen Häuschens ist offen, wir gehen
hinein, aber niemand scheint anwesend zu sein. Doch als wir so etwas wie
„Hallo“ rufen, klappert eine Frau die hölzerne Treppe herunter und strahlt:
Señora Mercedes. Aber selbstverständlich wird sie uns ein Abendessen machen,
wir sollten uns mal gleich hineinsetzen, dort durch die Türe. Wir betreten die
gute Stube von Señora Mercedes und sitzen auch schon gleich an einem kleinen
Tisch. Das sei aber nett, dass wir gekommen seien, sie habe zur Zeit keine
weiteren Gäste, aber immer kämen Pilger zu ihr und wir sollten uns auf jeden
Fall ins Gästebuch eintragen, während sie schon mal eine Flasche Rotwein hole,
den würden die Pilger immer bei ihr bekommen.
So sitzen
wir im kleinen Wohnzimmerchen von Señora Mercedes, plaudern, blättern im
Gästebuch herum, trinken Rotwein und haben es rundum behaglich. Ab und zu
erscheint auch unsere mütterliche Freundin und versichert uns, dass es mit dem
Essen bald losginge und wir versichern ihr trotz unseres gewaltigen
Pilgerhungers, dass das alles keinerlei Eile habe, überhaupt nicht. Nur unser
Tischchen wackelt ein wenig und damit unsere Rotweingläser nicht in Gefahr
kommen, legen wir etwas Papier unter, aber das verdammte Tischchen scheint viel
komplizierter konstruiert zu sein, als wir je erwartet hätten. Da soll mal
gleich der Teufel hineinfahren. Doch unser Pfarrer Tobias meint, den sollten
wir besser aus dem Spiel lassen, das sei ein ganz unberechenbarer Kerl und
vielleicht würde er uns am Ende noch den Wein wegtrinken. Dieser geistliche Rat
überzeugt uns zwei Laienbrüder vollkommen, wir wollen auf keinen Fall, dass
plötzlich der Wein weggetrunken ist und so darf dieser Kerl nicht länger bei uns
am Tischchen sitzen, mag es wackeln wie es will.
Und dann
erscheint ja auch schon unsere geliebte Señora mit einer dicken Gemüsesuppe und
Bergen von Weißbrot und leider, aber da lacht unsere Señora, brauchen wir auch
noch Rotwein, ein bisschen nur, aber der Wind heute hat uns alle Flüssigkeit
aus dem Leib geblasen. Nun muss unsere gute Pilgermutter noch mehr lachen, weil
sie das schon kennt mit dem ewigen Wind und dem vielen Wein. Anschließend gibt
es Fleisch mit Salaten, später Käse und
Weitere Kostenlose Bücher