Auf dem spanischen Jakobsweg
gesagt, dass du erst in León auf deiner
Mundharmonika Großer Gott wir loben dich spielen wirst.“
„Ja, aber da
wusste ich noch nicht, dass man mit diesem Lied nicht einmal die Herzen der
Putzfrauen in León erweichen kann“.
„León ist
sehr schön. Wir sollten morgen noch einen Tag hierbleiben und uns umsehen“,
schlage ich vor.
Plötzlich steht
Monique, unsere Pilgerschwester aus Lyon, strahlend vor Freude vor uns. Wir
haben sie seit Tagen nicht mehr gesehen und andere uns bekannte Pilger auch
nicht. Das mag viele Gründe haben. Manche, das haben wir gehört oder erlebt,
mussten aufgeben, andere sind, nachdem wir in Burgos einen Besichtigungstag
eingelegt haben, uns schon auf dem Camino voraus und einige hängen vielleicht
noch zurück. Von Monique jedenfalls erfahren wir, dass Grace aus England auch
im Kloster untergekommen sei und ebenso Jeanette. Carmen sei trotz ihrer
Schmerzen in den Beinen noch auf dem Camino, aber heute schon weitergezogen.
Sie selbst wohne hier bei Freunden, aber morgen sei sie wieder auf dem Weg.
Später,
wieder zurück auf unserem Matratzenlager, entdecke ich direkt neben mir
Octavio. Er ist todmüde, von Alberto und Paolo weiß er nichts. Dem Pilgerbuch,
in dem wir vorhin herumgeblättert haben, konnten wir entnehmen, dass gestern
die beiden hageren Männer aus Kärnten, Peregrin und sein Gefährte, hier
übernachtet haben. Ob wir die noch einmal einholen werden, wenn wir morgen hier
in León bleiben? Vielleicht erst in Santiago, wer weiß das schon, ob man auf so
langen Wegen verlorene Freunde wiederfindet.
Wir setzen
uns, Tobias war schon im Straßencafé wieder zu uns gestoßen, in den
historischen Klosterhof und essen unsere Jutesäcke leer. Danach, es wird schon
langsam dunkel, sehen wir uns einen Umzug an, der aus Anlass des Festes
„Kreuzerhöhung“ stattfindet und in unserem Klosterhof seinen Ausgang nimmt.
Ernste Männer in schwarzen Roben ziehen gemessenen Schrittes durch die dunklen
Gassen der Altstadt von León. Wir Pilger versammeln uns noch in der Kapelle des
Klosters zu einem gemeinsamen Abendgebet. Dann aber strecken wir endgültig
unsere müden Körper auf die ausgelegten Matratzen, die Herberge ist voll
geworden, wir liegen dicht an dicht.
Noch ein Tag
in León
Um León,
zusammengeschachtelt von einer so unendlich langen Geschichte, wirklich
kennenzulernen, müssten wir hier noch viele Tage bleiben. Aber wir sind Pilger
und müssen weiterziehen. Einen Tag allerdings wollen wir hier verbringen.
Wir wissen,
dass wir am Abend in die städtische Herberge umziehen müssen, denn in den
Pilgerherbergen darf man — wir haben das schon in Burgos erfahren — aus guten
Gründen nur eine Nacht bleiben, solange man keine gesundheitlichen Probleme
hat. So lassen wir unsere Rucksäcke zunächst im Kloster zurück und bummeln
schon früh am Morgen durch die uralten Gassen in den erwachenden Tag hinein.
Unser erstes Ziel ist das Herz von León, die Basílica San Isidoro, eine
romanische Kirche, die nicht nur besonders schön ist, sondern auch eine
faszinierende Geschichte hat. Sie ist mit dem Herzschlag Leons eng verbunden.
Neben vielen anderen historischen Ereignissen gehört hierzu auch, dass diese
Kirche dazu ausersehen war, die Reliquien des Heiligen Isidor von Sevilla
aufzunehmen. Dieser war schon im Jahre 636 als Erzbischof von Sevilla gestorben
und dort auch bestattet worden. Er gilt als der größte Gelehrte der Westgoten
und als einer der großen Kirchenlehrer überhaupt. Für die Pilgerbewegung
spielte er, das heißt der Besuch seines Grabes in San Isidoro, eine
herausragende Rolle. Schon Aymeric weiß in seinem mittelalterlichen
Pilgerführer aus dem Jahre 1130 zu berichten,
dass man in León den verehrungswürdigen
Leichnam des Heiligen Isidor, des Bischofs und Doktors, besuchen muss, der
[...] die Spanier mit seinen Lehren aufklärte und die ganze Heilige Kirche mit
seinen herrlichen Werken ehrte.
Der große
Gelehrte, auch ein Förderer der Kultur der Antike, war Angehöriger jenes
germanischen Volkes, das nach seiner Vertreibung aus den Gebieten nördlich der
Pyrenäen durch die Franken in Spanien das
Erbe über
die Römerherrschaft angetreten und hier im 5. Jahrhundert das hispanische Reich
der Westgoten aufgebaut hatte. Als im Jahre 1063 die Gebeine des Heiligen nach
León überführt wurden, gab es jedoch auch dieses große Reich schon lange nicht
mehr. Die Mauren waren im Jahre 711 nach Spanien eingedrungen und wenige Jahre
später
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