Auf dem spanischen Jakobsweg
Kopfende meines
Bettes habe, in Schwären übergegangen sind. Ein Chirurg fehlt, und so habe ich
sie mir mit eigenen Händen ausbrennen müssen, was alle, die das gesehen haben,
mit Mitleid erfüllte.
Armer
Satiriker Quevedo! Aber die Mächtigen haben es zu keiner Zeit ertragen können,
wenn man kleine Späßchen über sie macht. Da fürchten sie immer gleich um ihre
Würde, denn wenn man davon ein Stückchen abreißt, etwa wie einen Knopf von der
Hose, könnte doch etwas zum Vorschein kommen, das ein bisschen nach Mensch
aussieht. Davor haben sie große Angst, werden ganz ungehalten und sperren alle
Spaßvögel einfach ein.
Ich gehe
weiter, den Berg hinauf und aus der Stadt hinaus. Heinz läuft inzwischen weit vor
mir, Tobias ist zurückgeblieben. Als ich an der Kirche „La Virgen del Camino“
ankomme, der Kirche mit den dreizehn modernen Bronzestatuen — Maria umgeben von
den Aposteln — , die allesamt reichlich zernagt, ja angefressen aussehen, was
der Künstler sicher hübsch fand, scheint die Sonne bereits und am Himmel ist
kein Wölkchen auszumachen. Zunächst laufe ich um den im Jahre 1961 erbauten
nichtssagenden Kirchenkasten herum, dann betrete ich das Innere der Kirche.
Dort steht ein Barockaltar aus dem Jahre 1730 und eine viel verehrte, aus Holz
geschnitzte Pieta, die Virgen del Camino vom Ende des 15. Jahrhunderts. Beide
Werke stammen aus dem Sanktuarium, das hier früher einmal stand. Nach meinem
Rundgang setze ich mich vor die Kirche und sehe mir in meinem Pilgerführer
nochmals unsere heutige Strecke nach Hospital de Órbigo an.
Schon
gestern in der Herberge war mir aufgefallen, dass man nach meinem spanischen
Reiseführer eigentlich die ganze Strecke, also etwa 30 Kilometer, auf oder
unmittelbar neben der Nationalstraße 120 laufen müsste, eine wahre
Horrorvision. Aber ich hatte gestern auch schon ein paar handschriftliche
Randnotizen entdeckt, die ich noch zu Hause in meinen Pilgerführer gekritzelt
hatte. Anlass hierzu waren die Ausführungen Aeblis in seinem Jakobsbuch. Als
dieser schon vor mehr als zehn Jahren vor dem gleichen Problem stand, hat er
dieses irgendwie auf eigene Faust gelöst. Leider muss ich jetzt feststellen,
dass meine Notizen viel zu ungenau sind, um Aeblis Weg rekonstruieren zu
können. Gleichwohl bin ich fest entschlossen, nicht entlang der Nationalstraße
zu laufen, ich weiß nur noch nicht, ob ich einen linken oder einen rechten
Bogen durch das Gelände schlagen soll. Sollte ich heute Hospital de Orbigo
nicht erreichen, würde das auch nichts machen: Ich bin für eine Nacht im Freien
gut gerüstet.
Ich bin noch
in meine Überlegungen vertieft, als Tobias angelaufen kommt und wohl sofort
ahnt, was in meinem Kopf vor sich geht:
„In meinem
kleinen Pilgerführer gibt es eine Alternative zu der Strecke entlang der
Nationalstraße. Da müsste man schon in ein paar hundert Metern nach links
abbiegen. Durch Villadangos kommt man dann aber nicht.“
„Villadangos
interessiert mich nicht, wenn ich nicht auf der elenden Nationalstraße
herumtraben muss“, gebe ich entschieden von mir. „Na ja, es gäbe dort schon
einiges zu sehen, jedenfalls eine berühmte Santiagofigur aus dem 18.
Jahrhundert und auch noch ein paar andere Sachen. Aber ich habe auch keine
Lust, durch den Lärm und Gestank zu laufen.“
Dann liest
er mir zu der von ihm entdeckten Wegalternative aus seinem kleinen Pilgerführer
vor, dass diese Strecke über die Weite der kastilischen Felder auf einsamen
Wegen nach Villar de Mazarife und von dort dann nach Hospital de Orbigo führe
und dass diese Route erheblich schöner und interessanter sei, als die Strecke
entlang der Nationalstraße. Da ist die Sache für uns beide klar. Welchen Weg
Heinz genommen hat, der schon vor uns ist, wissen wir allerdings nicht.
Nach zwei
kleinen Dörfern, Tobias läuft jetzt schon einige hundert Meter vor mir, steigt
der Weg an. An den Hängen hier wird noch Getreide angebaut und ich komme auch
an ein paar Weinfeldern vorbei. Der Versuchung, die die reifen Beeren
ausstrahlen, erliege ich sofort. Kurze Zeit später und ziemlich übergangslos
führt der sandige Weg auf einer endlos erscheinenden Hochebene in eine
Savannenlandschaft hinein. Die fast mannshohen Gräser auf beiden Seiten meines
Weges sind längst verdorrt und wiegen sich sanft in der leichten Brise, die
über diese einsamen Höhen streicht. Die Farbe des hellgelben Strohs
unterscheidet sich durch nichts von der Farbe des Sandes, der unter meinen
Schuhen knirscht,
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