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Auf dem spanischen Jakobsweg

Auf dem spanischen Jakobsweg

Titel: Auf dem spanischen Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Dannhäuser
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liegt.
     
     

Totentanz auf
dem Jakobsweg

    Kurz bevor
man auf dem alten Pilgerweg den Ort Rabanal erreicht, steht auf der linken
Seite ein kleiner Lebensmittelladen, vor den man zwei Tischchen und auch ein
paar Stühle gestellt hat. Hier können wir uns schon mal niederlassen und auch
etwas trinken, endlich wieder. Wir mögen hier vielleicht schon eine knappe
Stunde sitzen, da taucht etwas weiter unten, dort, wo wir selbst vorhin noch
gegangen sind, ein hagerer, hochgewachsener Mann mit schlohweißem Haar und
durchgängig rotem Kopf auf, schiebt sein Fahrrad vor sich her und pfeift vor
sich hin. Ich erkenne ihn sofort wieder. Schon in der kommunalen Herberge in
León hatten wir uns unterhalten und er hatte mir erklärt, wie ich am
einfachsten zum nächsten Lebensmittelladen finden würde. Auch dass er
Engländer, schon bald achtzig Jahre alt und als Radpilger auf dem Weg nach
Compostela sei. Ich war natürlich, ohne es allzu sehr zu zeigen, beeindruckt.
Der alte Herr mit seinen fröhlichen Augen und dem roten Gesicht imponierte mir
und ich dachte mir noch: Donnerwetter, diese Engländer. Auffallend ist heute
allerdings, dass er außer seinen großen Radtaschen auf dem hinteren
Gepäckträger auch noch einen Pilgerrucksack vorne, auf der Radgabel
balancierend, vor sich herschiebt. Neben ihm geht eine jüngere Frau, der man
ansieht, dass sie bis zur totalen Erschöpfung nicht mehr weit hat, dass ihre
Kräfte zu Ende sind. Es ist ganz offenkundig, dass der alte Gentleman sie
irgendwo auf dem Camino aufgelesen, ihr den Rucksack abgenommen und sie hierher
gebracht hat. Fragen stellen wir natürlich nicht, aber unsere Hochachtung
steigt noch mehr.
    Das mag, in
den alten Zeiten besonders, die Situation gewesen sein, die so manchen Pilger
vor Entkräftung hat sterben lassen. Damals war das Land noch weit und
menschenleer und nicht immer wird ein Gentleman von der Insel dazugekommen
sein, um die Situation mit britischem Sportsgeist zu bereinigen. Damals werden
schon eher die Wölfe Witterung aufgenommen haben.
    In Rabanal
gibt es zwei kleinere Herbergen, aber das reicht aus, jedenfalls jetzt, in der
zweiten Septemberhälfte. Nicht an das Bahnnetz angeschlossen, tauchen sie hier
in Rabanal erst gar nicht auf, die als Pilger maskierten leichtfüßigen und
fröhlichen Touristen.
    Wir
entscheiden uns für das „Refugio Gaucelmo“, benannt nach einem Herbergsvater,
der bereits im 11. Jahrhundert Pilger im nahen Foncebadón betreut hat. Unsere
Herberge, unmittelbar gegenüber der kleinen Kirche Santa Maria gelegen, wurde
um das Jahr 1990 von der englischen „Confraternity of Saint James“
wiederaufgebaut. Diese Bruderschaft betreut auch heute noch das Haus und die
Pilger. In einer einfachen, aber ungewöhnlich familiären, erkennbar liebevoll
wiedererrichteten Herberge, mit Innenhof und anschließendem Grasgarten, werden
wir von einem aufgeschlossenen englischen Ehepaar, den Herbergseltern, betont
herzlich empfangen. Aber die Stimmung hier ist sehr gedrückt. Wir erfahren,
dass heute Morgen, wenige hundert Meter von der Herberge entfernt, ein Pilger
aus der Schweiz plötzlich zusammengebrochen und in den Armen seiner Frau
gestorben ist. Ich muss nicht viel fragen, um zu wissen, dass es sich um jenen
Pilgerkameraden handelt, den ich schon beim Alcalden von Larrasoaña, an der
langen Tafel bei den beiden Holländerinnen sitzend, gesehen hatte und erst vor
drei Tagen auch in León, da haben wir noch zusammen gelacht.

    Dort habe
ich ihn also zum letzten Mal gesehen, zum allerletzten Mal.
    Um acht Uhr
abends ist in dem kleinen romanischen Kirchlein Santa María, das schon auf die
Templer zurückgeht, die Totenmesse. Das ziemlich düstere Kircheninnere ist
schnell bis auf den letzten Platz gefüllt. Offensichtlich sind alle Pilger, die
heute in Rabanal übernachten werden, hierher gekommen. Auch den Jüngeren unter
uns sieht man an, dass sie betroffen sind. In den meisten Pilgern lebt ja ein
Zusammengehörigkeitsgefühl, das noch einen Hauch aus den frühen christlichen
Gemeinden erahnen lassen mag.
    Begegnet ist
uns der Tod auf dem Jakobsweg schon oft und in unterschiedlicher Gestalt. Viele
seiner Gesichter, meist in Stein gemeißelt, ziehen jetzt, in dieser dunklen
Kirche, an meinem Auge noch einmal vorbei. Immer wieder war ich in den letzten
Wochen an die eindringlichen Bilder aus dem Totentanz der Kappelle des „Alten
Friedhofs“ in Freiburg erinnert worden.
    Schon in
Roncesvalles standen wir vor dem Sarkophag von Sancho

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