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Auf dem spanischen Jakobsweg

Auf dem spanischen Jakobsweg

Titel: Auf dem spanischen Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Dannhäuser
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abriegeln konnte, auch ein
mächtiges Bollwerk zum Schutz der nahen Gold- und Silberminen und eine zentrale
Verteidigungsbastion für Galicien und Asturien, kommandiert und gesteuert vom
Hauptquartier der VII. Römischen Legion in León. Dort haben wir schon vom
Zusammenbruch der Römerherrschaft auch in Spanien gehört und dass nach ihnen
die Westgoten, die zeitweise mit den Römern gegen andere germanische Stämme
verbündet waren, ihre sogenannte „gotische Ordnung“ in Iberien aufbauten.
Nachdem die Goten im Jahre 587 den Arianismus, der schon im Jahre 325 als
„Irrlehre“ verurteilt worden war, abgelegt hatten, konnte sich in jenen Zeiten
die Lehre aus Rom, die römisch-katholische Kirche, vollends durchsetzen. Also
auch unter den Goten, was wichtig war, nachdem diese die Führungsschicht
stellten. Die alteingesessene Bevölkerung hatte lange vorher schon den
Katholizismus angenommen, Astorga war bereits im dritten Jahrhundert
katholischer Bischofssitz geworden.
    Noch ein
gutes Wegstück vor der mächtigen Stadtmauer überqueren wir auf einer flachen,
ziemlich kleinen Römerbrücke einen schmalen Bach, um dann linker Hand, schon
von Häusern umgeben, steil bergauf zu steigen und durch ein kleines Tor die
alte Stadt zu betreten. Hinter diesem Tor liegt die kleine Pilgerherberge.
    Es ist kurz
nach zwölf Uhr mittags und die Herberge öffnet erst in ein paar Stunden. Aber
eine singende, fröhliche Putzfrau erlaubt uns, schon mal mit unseren Rucksäcken
Betten zu belegen. So können wir, befreit von dieser Last, in der kleinen Stadt
herumstreunen.
    Für die
Jakobsbewegung hatte Astorga, insbesondere im Mittelalter, eine überragende
Bedeutung. Hier wimmelte es von Pilgern. Bereits im 12. Jahrhundert wurden sie
in über zwanzig Hospizen und von zahlreichen Bruderschaften betreut. Die
Jakobspilger, die hier ankamen, waren von den Strapazen, denen sie auf ihrem
Weg durch die glühenden Weiten der Meseta ausgesetzt waren, erschöpft und
ausgelaugt, nicht selten halb verhungert und oft auch krank. Die
kräftezehrenden Bergetappen, zunächst durch die kargen und menschenleeren
Montes de León, später über das Kantabrische Gebirge, lagen unmittelbar vor
ihnen. Nach Santiago waren es noch immer fast 250 Kilometer, aber auch das
wussten sie damals nicht so genau. Da bot es sich an, einige Zeit in Astorga zu
bleiben, zu beten und neue Kräfte zu sammeln, bevor man den Marsch in die Ungewissheit
des nun beginnenden Gebirges wagte.
    Unser Weg
führt uns als erstes zur Kathedrale Santa Maria. Schon vor den Zerstörungen,
die Al Manzur, die „Geißel der Christenheit“, angerichtet hatte, stand hier
eine frühe Kirche. Auf den von den Mauren zurückgelassenen Trümmern wurde dann
nach dem Jahre 1069 wieder ein Kirchlein errichtet. Im 13. Jahrhundert konnte
schließlich eine romanische Kirche eingeweiht werden. Aber auch von ihr ist
nicht viel übrig geblieben. Sie wurde nämlich im 15. und 16. Jahrhundert
gründlich umgebaut. Im großartigen Inneren gibt es, trotz der Düsternis, die
uns hier empfängt, auch einiges zu bewundern, das Retabel des Hauptaltars, eine
romanische Muttergottes, ein prächtiges Chorgestühl. Auch der unvermeidliche
Coro fehlt nicht, er wurde hier besonders ausladend in die Kirche gesetzt, so
dass wieder die Sicht auf die Gesamtarchitektur verbaut ist.
    Neben der
Kathedrale steht ein interessantes, mächtiges Gebäude. Eine Trutzburg, ein
Märchenschloss, eine gotische Kathedrale — und ein Hauch von Disneyland. Bei so
viel ineinanderfließender Phantasie — dieser Bischofspalast wurde erst zwischen
den Jahren 1899 und 1913 erbaut — liegen sich die Herren Professoren natürlich
sofort in den Haaren und die einen finden das Ganze grässlich und die andern
wundervoll. Aber nur die ganz bedeutenden Experten, nur die Kunstpäpste, dürfen
sich wirklich kritisch oder gar abfällig äußern, ohne sich hiermit gleich als
Banausen zu entpuppen.
     

     
    Denn kein
Geringerer als Antonio Gaudi, Schöpfer auch der bis heute noch nicht
fertiggestellten und doch so berühmten Kirche „Sagrada Familia“ in Barcelona,
hat diesen Bischofspalast in Astorga konzipiert. Laien haben es da, was die
Einschätzung des „Palacio Episcopal“ in Astorga angeht, sehr leicht, sie können
sich ganz ihren Gefühlen hingeben und so gestehe ich, nur ein einfacher und
unwissender Pilger auf dem Weg nach Compostela, dass ich dieses Gebäude nicht
nur als interessant und beeindruckend, sondern auch als schön

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