Auf dem Weg nach Santiago
»Wein und Latein gehn überall ein«, so sagte man.
Sicher ist der kleine Bonnecaze, der
die Sprache des Béarn spricht, besser für eine Spanienreise ausgerüstet — bei
dieser Gelegenheit erlernt er auch noch die Sprache Kastiliens — , als der Pikarde Manier. Übrigens denkt dieser bei der
Abfassung seines Pilgerberichtes an jene, die ihm folgen werden. Er hinterläßt
einen Rapport d’une partie de la langue espagnole. Es handelt sich um
einen Wortschatz von einigen hundert nützlichen Wörtern für die Straße und die
Rast, darunter unerwartete Ausdrücke wie warlope de menuisier (langer
Schreinerhobel) und mari cocu (betrogener Ehemann), nicht zu
verschweigen eine Reihe »ziemlich saftiger« Flüche, die sein Herausgeber im 19.
Jahrhundert, Bonnault d’Houët, nicht in die Neuauflage aufnehmen will. 30 Bonnault d’Houët vernachlässigt auch das französisch-biskayische Wörterbuch,
das Manier bei seiner Rückkehr verfaßt. »Dieser Entwurf eines Handbuchs für die
Unterhaltung ist sehr kurz gefaßt und enthält zu viele anstößige Ausdrücke, als
daß er eine Übersetzung verdiente .« 31
Die große sprachliche Überraschung auf
dem Weg ist das Baskische; und selbst jene, die viel gereist sind, sind hier
mit ihrer Weisheit am Ende. So heißt es im Lied:
C ‘est pour la Biscaye passer
Qu’il y a d’étrange monde
On ne les entend pas parler.
Durchquert man das Baskenland,
So trifft man seltsame Leute.
Man versteht nicht, was sie sprechen.
Manier kann sich nicht genug wundern:
»Wir übernachteten beim Fährmann, der sich wirklich übel aufführte, wie
übrigens auch alle anderen im gesamten Baskenland. Am meisten machte uns aber
zu schaffen, daß wir die französische Sprache nicht mehr benutzen konnten und nicht
einmal Spanisch hörten, sondern Biskayisch, noch schwieriger als Deutsch. Wir
mußten das Notwendige wie Stumme durch Zeichen erbitten .« 32
Arnold von Harff ist 1496 vom
Niederrhein aufgebrochen; die Ausdrücke, die er sich im Baskenland übersetzen
läßt, sind interessant; man findet darunter die freundliche Bitte: »Schoin
junfrau kumpt bij mich slaeffen .« 33
Es genügt, einen Vergleich zwischen den
verschiedenen phonetischen Transkriptionen desselben Wortes anzustellen, um
sich über die sprachlichen Schwierigkeiten der Pilger in Spanien eine
Vorstellung zu machen. Nehmen wir das Wort Castrogeriz, Name einer wichtigen
Raststelle zwischen Burgos und León. Diese Ortsbezeichnung wird für die meisten
Franzosen zu Quatre-Souris, für Nompart de Caumont zu Castro Siris, für den
Deutschen von Harff zu Castresory und für den Italiener Laffi zu Castel Soriz;
den Gipfel einer freien phonetischen Übertragung finden wir bei dem Deutschen
Künig mit der Bezeichnung »Eyn Schloß heist Fritz«. Es handelt sich hier um
phonetische Annäherung und zugleich um Wortspielerei. Der Mensch des
Mittelalters liebt es, wie die Kinder, Namen oder Fremdwörter umzuformen; so
haben die Kreuzfahrer die bei Askalon aufgefundene Gemüsepflanze Schalotte
genannt.
Für eine ganze Reihe lebenswichtiger
Informationen ist der Wallfahrer unterwegs gänzlich den Einheimischen
ausgeliefert. Da ist zum Beispiel das Wasser. Wo ist es zu finden? Ist es
trinkbar für die Menschen? Für die Tiere? Kann man darin fischen? Für Aymeri
Picaud ist das eine so wichtige Sache, daß er ihr eines der acht Kapitel seines
Führers widmet: »Gute und schlechte Wasserläufe auf dem Pilgerweg«.
»Bei einem Ort mit Namen Lorca«, so
gibt er an, »fließt der sogenannte Salzbach; hüte dich wohl, deinen Mund daran
zu setzen oder dein Pferd darin zu tränken, denn dieses Wasser bringt den Tod.
Als wir nach Santiago zogen, trafen wir an seinem Ufer zwei Navarresen; die
saßen da und wetzten ihre Messer. Sie haben die Gewohnheit, die Pferde der
Pilger zu häuten; man hatte sie an diesem Wasser getränkt, und sie sind
verendet. Auf unsere Frage hin logen die beiden, das Wasser sei gut und
trinkbar; wir gaben also unseren Pferden zu saufen, und alsbald gingen zwei von
ihnen ein; sie wurden von jenen Männern unverzüglich abgehäutet.«
An anderer Stelle schreibt er: »In der
Nähe von Estella fließt der Río Arga; sein Wasser ist weich, gesund,
ausgezeichnet. Durch die Ortschaft Los Arcos fließt ein Bach mit todbringendem
Wasser; jenseits von Los Arcos gegen die erste Herberge zu, zwischen Los Arcos
und diesem Hospiz, fließt ein für Pferde und Menschen schädliches Wasser.«
Picaud rät dringend davon ab,
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