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Auf dem Weg nach Santiago

Auf dem Weg nach Santiago

Titel: Auf dem Weg nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Noel Pierre / Gurgand Barret
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Sols pro Tag und Verpflegung
unter die Menge der Weinleser.« 23 In Montpellier verliert Laffi
beinahe seinen Freund, den Kunstmaler Codici: »Es gibt in der Kathedrale
mehrere Kapellen, darunter eine, die ein ausgezeichneter Bologneser Maler
auszumalen begonnen hatte; wegen seines Todes aber war die Kapelle unvollendet
geblieben; nun wollte man, daß mein Kamerad hier bleibe, um weiterzumalen.« 24
    Wer es nicht nötig hat, unterwegs zu
arbeiten oder zu betteln, ist dagegen verpflichtet, unterwegs Schenkungen zu
machen und Almosen zu spenden. Dies um so mehr, als es manchmal wirklich
notwendig ist. Als Laffi zwischen Hospital de Órbigo und Astorga vorbeikommt,
»erweisen sich die Bewohner als derart arm, daß man ihnen unbedingt zu Hilfe
kommen muß«. 25 Eine andere Form tätiger Nächstenliebe besteht darin,
beim Bau von Brücken, bei der Instandhaltung von Straßen, der Errichtung von
Kirchen, Kapellen oder Schutzhütten mitzuarbeiten. Auf dem Weg nach Compostela
herrscht auch folgender Brauch: Die Pilger, die durch Triacastela kommen, laden
sich einen Kalkstein auf, um ihn am Ende einer langen Strecke bei den Kalköfen
von Castañeda niederzulegen; es fehlt in Galicien nämlich an Kalk. Aymeri
Picaud bescheinigt, daß die viatores André, Roger, Avit, Fort, Arnaud
und Pierre »aus frommer Liebe zu Gott und dem Apostel den Weg von Santiago de
Rabanal bis zur Brücke über den Miño noch einmal machten«. 26
    Frömmigkeitsübungen und Nächstenliebe
sind natürlich nicht die einzigen Beschäftigungen des Pilgers; er muß auch
daran denken, sich zu verpflegen und Unterkunft zu finden (vgl. 6. und 7.
Kapitel); auch muß er sich schützen gegen alle Gefahren, die ihm auflauern, und
mit offenen Augen die Welt betrachten, dieses Schauspiel, das da vor ihm
abrollt.
    Am 29. August 1726 machen Manier und
seine Gefährten an den Toren von Paris beim Markt Saint-Laurent halt: »Wir
haben eine Löwin gesehen, die mit ihrem Schwanz das Bein eines Ochsen brach,
einen Bären, zwei andere Löwen, Männchen und Weibchen, und zwei prächtige
Tiger. Sie hatten Krallen wie Katzen und schrien auch so .«
    Alles ist wert, daß man es sieht.
Derselbe Manier findet in Blois alle Galgen »besetzt«: »Wir sahen mehrere
gehenkte und geräderte Leichen; einer hing, weil er eine Kutsche gestohlen, ein
anderer, weil er mit einer Kuh Unzucht getrieben hatte .« Bezüglich dieses letztgenannten Verbrechens fügt er mit Abscheu hinzu: »Das
Monstrum kam zur Welt, und man hat es zusammen mit diesem Elenden verbrannt .« Hinter Saintes eine weitere Hinrichtung: »Wir haben einen
geräderten Mann namens Bride-les-Boeufs [Ochsenzähmer] in feinem Hemd aus der
Bande eines gewissen Cartouche gesehen und seinen Gehilfen namens
Bride-les-Vaches [Kuhzähmer] .« 27 Cartouche
selber war fünf Jahre zuvor, nämlich 1721, gerädert worden. Von Harff sieht in
Spanien einen mit Pfeilen durchbohrten Mann und eine gehenkte Frau. 28
    Das achte Kapitel des Reiseführers von
Aymeri Picaud trägt den Titel »Namen der Gegenden, durch die der Weg nach
Santiago führt, und die Eigenschaften ihrer Bewohner«. Neben praktischen
Hinweisen und Beschreibungen des Brauchtums findet man hier eine reichlich
willkürliche volkskundliche Übersicht; nichts ist vor dem bündigen Urteil des
Pilgers aus dem Poitou sicher. Trotzdem ist sein Zeugnis wertvoll, weil es aus
dem Blickwinkel des 12. Jahrhunderts geschrieben ist.
    Die Landes zum Beispiel: »Das ist ein
gottverlassenes Gebiet, wo einem alles mangelt. Es gibt weder Brot noch Wein,
weder Fleisch noch Fisch, weder Wasser noch Quellen; die Dörfer sind selten in
dieser sandigen Ebene, die indes reich ist an Honig, Hirse und Schweinen.
Solltest du die Landes zufällig im Sommer durchqueren, dann achte darauf, dein
Gesicht gegen die riesigen Fliegen zu schützen, die dort überall herumschwirren
und die man Wespen oder Bremsen nennt; und wenn du nicht auf deine Füße
achtest, wirst du bald bis zu den Knien im Meeressand stecken, der dort überall
hereindringt.«
    Aymeri Picaud entdeckt beim Verlassen
dieser endlosen Wüste — »man braucht drei Tagesmärsche, und dabei ist man schon
vorher müde« — die Gascogne: Bäche, reine Quellen, Wälder und Wiesen, Weißbrot
und Rotwein. »Die Gascogner«, so erklärt er entschieden, »nehmen das Wort nicht
ernst, sie sind Schwätzer, Spötter, Lüstlinge, Säufer, Schlemmer, in Lumpen
gekleidet und ohne Geld; trotzdem sind sie doch tapfere Soldaten und
bemerkenswert in ihrer

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