Auf dem Weg nach Santiago
Guillaume, ist Priester. Jean spricht
fast jeden Sonntag davon, zögert auch nicht, bei der Messe zu dienen, wandert
jedoch an diesem Tag genauso wie die anderen weiter.
Maniers Frömmigkeit ist verdächtig. Er
wundert sich über die wilde Frömmigkeit der Spanier: »Wenn in diesem Land der
Angelus geläutet wird, muß man sich hinknien, wo immer man sich auch befindet.
Sie zwingen auch die Fremden dazu, mit Gewalt, wenn es sein muß .« 15 Die Zänkereien, die Neugierde und das wilde
Gelächter der Leute aus der Pikardie erinnern zuweilen eher an beschwipste
Rekruten als an Pilger. Eines Tages sind sie in Spanien Zeuge einer Segnung von
»Totenbroten«. »Der Priester weiht Wasser«, so erzählt Manier, »dann segnet er
für jede dieser Frauen Brot; sie tragen es nach Hause und verteilen es an die
Armen. Die Männer singen gemeinsam, auf eine Weise, die zum Lachen reizt; man
meint, einem Hexensabbat beizuwohnen. Und wenn bei der Wandlung die Hostie hochgehoben
wird, schlagen sich alle mit der Faust auf den Bauch, so daß es klingt, als
rührte eine ganze Armee die Trommeln. Kurz und gut, wir waren eines Tages
wieder in einem Dorf. [...] Man sang ein Requiem. Der Priester stieg nach der
Opferung auf die Kanzel und predigte solcherart, daß meine Kameraden und ich
schallend lachen mußten. Ich bemerkte den Zorn einiger Dorfbewohner. Sie
stürmten zu mehreren hinter uns her aus der Kirche. Hätten wir uns nicht
geschickt den Leuten entzogen, wir hätten unsere Verwegenheit teuer bezahlt —
wir hatten wegen der Grimassen und Verrenkungen des Predigermönches wirklich
lachen müssen !« 16
Eine andere Form religiöser Praxis ist
die kämpferische Armut, freiwillig oder auch nicht, und ihre Folge, sein Brot
erbetteln zu müssen. »Als wir in Viana angekommen waren, verteilten wir uns,
jeder in ein anderes Viertel, um Almosen zu erbitten .« Später heißt es: »Drei Tage lang ging ich in dem Ort [Silheiro] herum, um Brot
zu sammeln; hernach bat man mich, weiterzugehen .« 17 In Bayonne ist Manier eine Weile allein; er macht Bekanntschaft mit einem
Blinden, den sein flämischer Gefährte in einer Schenke allein gelassen hat; sie
gehen zusammen betteln: »Nachdem ich mit dem Blinden in der Stadt
herumgestanden hatte, der mit seiner Geige gute fünfzig Sols erbettelte [,..].« 18
Es ist üblich, daß die Pilger in
Gruppen Handwerks- oder Heimatlieder singen, bevor sie die Hand hinhalten. So
etwa die aus Aurillac:
En la vila de León
Credèrèm una cançon
E las donas per abundança
Vaun auzir los filhs de França. 19
In der Stadt Leon
Sangen wir ein Lied.
Und die vornehmen Damen
kamen in großer Zahl,
Um den Söhnen Frankreichs zuzuhören.
Eine andere Version:
Les hommes, femmes et filles
De toutes parts nous suivaient
Pour entendre la mélodie
De ces bons pèlerins français.
Männer, Frauen und Mädchen
Folgten uns von überall,
Um das Lied der guten
Französischen Pilger zu hören.
Cervantes läßt Don Quijote sprechen von
»sechs Pilgern mit ihren Stäben [...], die unter Singen Almosen erbitten«. 20 Eine nicht immer geschätzte Musik, was auch die Auvergnaten sagen mögen. Pedro
Telonario schreibt:
En Asia, en Jerusalén
Y a Santiago, en España
Vuestra vil música engaña
Para que limosna os den . 21
In Jerusalem in Asien
Und im spanischen Santiago
Täuscht eure schlechte Musik,
Damit man euch Barmherzigkeit erweist.
Andere Pilger verdienen sich ein wenig
Geld mit dem Verkauf kleiner Gegenstände oder dem Erweis kleiner Dienste. Laffi
trifft einen Deutschen, der Bilder verkauft; wir sind auch schon dem Ehepaar
begegnet, das sich ärztlich betätigt. Der Schneider Manier bringt seine
Fachkenntnisse an den Mann: »In diesem Marktflecken Quatre-Souris [Castrogeriz]
haben mich die Frauen massenhaft um Nadeln gebeten; ich glaube, sie sind
verrückt .« 22 Da Sire Guillaume eine heilige
Messe gelesen hat, bei der Jean de Tournai diente, überläßt ihnen der
Ortspfarrer das Opfergeld.
Gelegentlich bleiben einige Pilger an
Ort und Stelle, um ein paar Tage oder Wochen zu arbeiten. So zum Beispiel
Manier; er muß auf einen seiner Gefährten warten, also hilft er bei der
Weinlese in der Gegend von Bordeaux: »Und da sich einer der Unsrigen unwohl
fühlte, nachdem man ihn vor der Einschiffung in Blaye zur Ader gelassen hatte,
brachten wir ihn ins Krankenhaus der Jesuiten, wo er gut gebettet und gepflegt
wurde; wir übrigen drei mischten uns für acht
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