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Auf dem Weg nach Santiago

Auf dem Weg nach Santiago

Titel: Auf dem Weg nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Noel Pierre / Gurgand Barret
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Tarbes und Aulx ausgeplündert .« 45
    Bona aus Pisa rettet eines Tages einen
Nachzügler ihrer Gruppe in dem Augenblick, da er von einem Räuber überfallen
wird; sie sieht darin Gottes Hand: Der Mann hatte nämlich bei seiner Beichte
zwei Sünden verschwiegen. Nicht alle Pilger, unter denen sich zahlreiche Büßer
befinden, sind demnach achtbar. Am 28. März 1664 macht der 25 jährige François d’Arles aus La
Motte-Canillac bei Brioude sein Testament, bevor er nach Compostela aufbricht;
er kehrt nicht mehr zurück: Am 22. Dezember 1665 verurteilt ihn der Hohe
Gerichtshof der Auvergne zum Tod durch Erhängen, weil er zusammen mit zwei
Komplizen ein Mädchen aus Sainte-Florine, Françoise Bardy, entführte. Übrigens
war er bereits am 4. Dezember 1658 durch den Vogt der Auvergne verurteilt
worden. 46
    Den Pilgern werden durch falsche
Priester unmögliche Bußen auferlegt — zum Beispiel »dreißig Messen lesen zu
lassen von einem Priester, der niemals eine geschlechtliche Sünde begangen noch
Fleisch gegessen, noch irgend etwas zu eigen besessen hat«; da ein so seltenes
Wesen nicht ausfindig zu machen war, überließen die Pilger ihrem »Beichtvater«
die Sorge, ihn zu finden, und das nötige Geld für die dreißig Messen. Die im
Jahre 1123 durch das Laterankonzil für derartige Machenschaften vorgesehene
Strafe der Exkommunikation genügte nicht, diese Banditen zu entmutigen; die
zivilgerichtlichen Maßnahmen sind in der Folge bedeutend wirksamer.
    Ein Priester des Domkapitels von Rouen,
der Kanonikus Roch, durchquert im 17. Jahrhundert einen Wald bei Compostela. Er
wird von Räubern angegriffen, an einen Baum gebunden und zurückgelassen.
Zufällig entdeckt und befreit, entschließt er sich, nicht nach F rankreich
zurückzukehren, sondern sich in ein Kloster in den Pyrenäen zurückzuziehen. 47 Fast das gleiche war fünf Jahrhunderte zuvor Adalard von Flandern zugestoßen;
dieser jedoch hatte damals in der einsamen Gegend zwischen Le Puy und Conques
das große Hospiz von Aubrac gegründet, das so vielen Pilgern das Leben retten
sollte.
    Übrigens ist das Aubrac zusammen mit
den Pyrenäen, den Landes und den spanischen Hochflächen eine der von den
Wallfahrern am meisten gefürchteten Gegenden. Wie viele Pilger müssen sich an
»diesen schrecklichen und verlassenen Orten« verirrt haben oder an Hunger und
Kälte zugrunde gegangen sein! Wenn man der Gründungsurkunde der Pilgerherberge
von Roncesvalles Glauben schenken darf, dann sind allein hier »mehrere tausend
Pilger gestorben; die einen verloren sich im Schneesturm, andere, zahlreicher
noch, wurden von den Wölfen zerrissen«. 48
    Sich verlaufen und bis zum Tod
herumirren müssen, das ist die ständige Angst des Santiagopilgers. Manchmal
findet sich in den Klöstern oder Herbergen ein Freiwilliger, der die Pilger ein
Stück Wegs begleitet. Es kommt sogar vor, daß man ihnen ein Maultier leiht. Die
Begegnung mit Schäfern oder Holzfällern ermöglicht es einem, sich des richtigen
Weges zu versichern. Jean de Tournai erzählt: »An dem genannten Tag überraschte
uns die Nacht. Wir waren mitten im Wald. Es begann sehr heftig zu donnern und
zu regnen. Wir baten einen Holzhauer, uns ins nächste Dorf zu führen, damit wir
dort übernachten könnten. Er stieg vom Baum herunter und brachte uns in sein
Haus .« 49 Ein anderes Mal fragt Jean bei
Oviedo zu spät nach seinem Weg, glaubt sich verirrt, begibt sich ziemlich
beunruhigt auf den Weg, den man ihm angibt, und entdeckt schließlich, daß er
drei Meilen abgekürzt hat. 50
    An der Grenze von Galicien folgt er
zusammen mit Sire Guillaume durch den Schnee einem Weg, den vor ihnen Kaufleute
gebahnt haben. »Wenn es aufs neue zu schneien beginnt, was sollen wir dann tun ?« fragt Jean de Tournai besorgt. »Das Wetter ist gut«,
antwortet sein Gefährte. Sie gehen weiter. »Ich glaubte ihm. Ich war verrückt.
[...] Von neuem fing es an zu schneien. Und der ganze Weg, der zuvor gespurt
war, wurde zugeschneit. Es wurde so finster, daß wir kaum die Hand vor dem
Gesicht sahen .« Jean de Tournai kann seinen Zorn gegen
Sire Guillaume nicht mehr zurückhalten. »›Sire, sind Sie jetzt zufrieden? Wenn
wir uns verirren oder eingeschneit werden, sind Sie schuld.‹ Unser Sire
Guillaume fängt an zu weinen, und ich sage zu ihm: ›Sire, weinen hilft hier
nichts.‹ Wir empfahlen uns also Gott und dem heiligen Jakobus .« Sie erreichen ein Dorf. Ein Kleriker erklärt sich bereit, sie nach Villafranca
del Bierzo zu geleiten.

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