Auf dem Zeitstrom
– jedenfalls nicht mit ihrer ganzen Seele – die Nichtweißen akzeptieren würden: also die Schwarzen, Mongolen, Polynesier und Indianer. Er glaubte, daß die einzige Möglichkeit, mit den Weißen und mit ihrem eigenen Charakter und Stolz fertigzuwerden, darin läge, sich für eine absolute Trennung von Schwarz und Weiß vorzubereiten. Gleichheit: ja. Aber in unterschiedlichen Zonen. Dann sagte sich sein Führer Malcolm X von den Black Muslims los, weil er erkannt hatte, einem falschen Weg gefolgt zu sein, daß nicht alle Weißen Teufel und rassistische Ungeheuer wären; ebenso wenig wie alle Schwarzen breite Nasen hätten. Hacking verließ die Vereinigten Staaten, um in Algerien zu leben, und dort fand er heraus, daß Geisteshaltungen es sind, die Rassismus erzeugen, und nicht die Farbe der Haut.«
Eigentlich weder eine originelle noch überraschende Erkenntnis, dachte Sam. Aber er hatte sich vorgenommen, Firebrass nicht zu unterbrechen.
»Und plötzlich warfen die jungen Weißen der Vereinigten Staaten – jedenfalls sehr viele –, die Vorurteile ihrer Eltern einfach über Bord und unterstützten die Schwarzen in ihrem Kampf. Sie gingen auf die Straße und demonstrierten, probten den Aufstand und warfen sogar ihr Leben für die Schwarzen in die Waagschale. Sie schienen die Schwarzen plötzlich zu mögen, und nicht etwa, weil jemand sie dazu zwang, sondern weil sie erkannt hatten, daß sie menschliche Wesen sind und daß man menschliche Wesen mögen oder gar lieben kann.
Hacking allerdings liebte die Weißen noch immer nicht, wenngleich er sie allerdings durchaus für menschliche Wesen hielt. Seine Vorstellungen wurden ebenso wie die der meisten älteren Weißen in ihren Grundfesten erschüttert. Aber er gab sich die größte Mühe, diejenigen Weißen, die auf seiner Seite kämpften, zu lieben und jene, die zu ihren Eltern sagten, sie sollten sich mit ihren Vorurteilen zum Teufel scheren, zu respektieren.
Dann starb er – wie jeder Mensch auf der Erde, egal ob seine Haut nun schwarz oder weiß war. Er fand sich in einer Gruppe frühzeitlicher Chinesen wieder, was ihn nicht sonderlich glücklich machte, weil sie jedes Volk außer ihrem eigenen für minderwertig hielten.«
Sam erinnerte sich an die Chinesen, die er in den frühen sechziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts in Nevada und Kalifornien kennen gelernt hatte: schwer arbeitende, stille, sparsame, freundliche kleine braune Männer und Frauen. Sie hatten Verhältnisse akzeptiert, die die meisten Weißen nicht einmal einem Maultier zugemutet hätten, hatten sich anspucken, verfluchen, foltern, steinigen, ausplündern, vergewaltigen und Gemeinheiten über sich ergehen lassen, die kaum ein anderes Volk hätte ertragen können. Sie hatten weder irgendwelche Rechte besessen noch jemanden gekannt, der sich ihrer annahm und sie beschützte. Und dennoch hatten sie sich niemals zur Wehr gesetzt oder auch nur einen ihrer Peiniger offen verflucht. Sie hatten alles über sich ergehen lassen. Aber welche Gedanken hatten ihre maskenartigen Gesichter verborgen? Ob sie ebenso wie jene, denen Hacking begegnet war, an die Überlegenheit ihrer Rasse über die verhaßten weißen Teufel geglaubt hatten? Wenn ja – warum hatten sie nicht zurückgeschlagen? Es stand außer Frage, daß ein solches Unternehmen in einem Massaker geendet hätte, aber immerhin wären sie doch für einen gewissen Zeitraum Männer gewesen.
Aber das chinesische Volk glaubte an die Macht der Zeit; die Zeit stand ihnen bei. Wenn sie dem Vater nicht das Glück bescherte, würde sie es für den Sohn bereithalten. Oder für den Enkel.
Firebrass fuhr fort: »Hacking verließ diese Leute in einem Einbaum, ließ sich flußabwärts treiben und viele tausend Meilen weiter bei einer Gruppe von Schwarzen nieder, die aus Afrika stammten, aus dem siebzehnten Jahrhundert. Es waren Vorfahren jener Zulustämme, die später ins südliche Afrika emigrierten. Nach einer Weile aber verließ er auch sie. Ihre Sitten waren ihm widerlich, sie waren ihm zu blutrünstig für seinen Geschmack.
Er lebte dann in einer Gegend, die von Angehörigen eines Hunnenvolkes aus dem Mittelalter und dunkelhäutigen Weißen aus der Neusteinzeit bevölkert war. Obwohl er unter ihnen einigermaßen gut lebte, vermißte er nach einer Weile doch sein eigenes Volk, die schwarzen Amerikaner. Also machte er sich erneut auf den Weg, geriet in die Gefangenschaft frühzeitlicher Moabiter, entkam und wurde von Hebräern versklavt, die ihm auch
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