Auf den ersten Blick

Titel: Auf den ersten Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Wallace

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perfektioniert, wenn ich am Gefängnis von Pentonville entlangkam, weil ich fürchtete, jeder Mann, dem ich begegnete, könnte mich mit einem Baguette erschlagen oder mit seinen Pommes erdolchen.
    Und dann … passierte es.
    »Oi.«
    Geh weiter. Geh einfach weiter.
    »Oi!« , sagte die Stimme, diesmal näher. Ich drehte mich um, und der Größere, der Rädelsführer, marschierte direkt auf mich zu.
    »Du hast meinen Namen gerufen«, sagte er.
    Atmen nicht vergessen.
    »Hm? Nein, hab ich nicht.«
    »Dann hast du Fotze zu mir gesagt.«
    Was?! O Gott, so fängt es an. So fängt es auf dem Kinderspielplatz an, und so fängt es abends an, in einer fremden Stadt, in der Nähe von Telefonzellen und zerkratzten Geldautomaten und Männern, denen das Bier ausgegangen ist.
    »Ehrlich, Mann, ich hab kein Wort gesagt.«
    »Klingt dein Name wie Fotze?«, fragte Dev mit halbem Lächeln.
    »Was hast du gesagt?«
    »Ich meinte nur, vielleicht hast dich verhört oder …«
    »Pass auf«, sagte ich. »Ehrlich, es gibt hier gar kein Pro blem. Wir sind einfach nur auf dem Weg nach Hause und …«
    »Wo ist das?«
    »Wir wohnen in einem B&B.«
    »Nein. Wo ihr herkommt …«
    »London«, sagte Dev.
    Falsche Antwort.
    »Etwas außerhalb von London«, sagte ich. »Im Grunde ziemlich weit außerhalb von London.«
    Heilige Scheiße, wieso passierte das? Warum in Whitby, ausgerechnet?
    »Wo ist euer Spezi?«, sagte der Typ weiter hinten.
    »Er ist …«, ich sah mich um. »Weiß nicht …«
    Der Anführer trat ganz nah an mich heran. Ich konnte seinen Atem riechen. Cider, definitiv. Vielleicht ein Whisky obendrauf? Und Kippen auch.
    Nein, die Frage kam von dem anderen. Dem Drahti gen neben ihm, der grinste und nicht stillstehen konnte, zu zappelig, um zu rauchen. Paul vielleicht? Er sah mir wie ein Paul aus. Und einen wie ihn gibt es überall. Zu schmächtig, um sich zu wehren, aber voller Aggressionen, wie ein klei ner Kläffer, der sich von der Macht seiner Freunde nährt, brandgefährlich, weil er alles, absolut alles für sein Herrchen tun würde, hechelnd und mit leuchtenden Augen.
    »Hör mal«, versuchte ich. »Ist doch alles cool …«
    Aber sie schienen das alles ganz und gar nicht cool zu finden. Sie schienen es eher uncool zu finden, aufgrund dieser furchtbaren, imaginären Kränkung, und eine sehr reale Sekunde lang erinnerte ich mich, wie uns Mr Waterhouse in der zweiten Klasse erklärt hatte, wenn man verprügelt würde, sei es das Beste, sich zu einer kleinen Kugel zusammenzurollen, aber wie sollte ich Dev erklären, dass er sich zusammenrollen sollte, und was würde dann passieren, denn wir wären ja nur noch zwei kleine Kugeln aus London, und was wäre, wenn …
    Krawumm.
    Irgendwo rechts von uns ertönte ein Krawumm – oder eigentlich kein Krawumm, sondern irgendwie … ein heftiges, mächtiges Scheppern. Ich erstarrte, Dev zuckte zusammen, und da war es wieder. Instinktiv hoben die Typen ihre Hände an den Kopf, drehten sich um, und da stand er …
    Matt hatte was gefunden – ein Stück Rohr, so was wie eine Eisenstange – und schlug eine Telefonzelle zu Klump.
    Schlug. Sie. Zu. Klump.
    Er hatte seine Kapuze ins Gesicht gezogen und drehte sich kein einziges Mal zu uns um, prügelte nur immer weiter auf die Zelle ein, dass Scherben durch die Luft flo gen, und immer und immer wieder gab es seltsame Laute – guttural und furchteinflößend.
    »Scheiße …«, sagte der kleine Kläffer und wich zurück, doch wir blieben still und leise, wo wir waren, nicht aus Tapferkeit, sondern weil wir die Hosen genauso voll hatten.
    Schließlich warf Matt die Eisenstange auf den Boden, und sie schepperte wild von der Wucht. Keuchend kam er direkt auf uns zu, und das reichte den Typen … sie hauten ab.
    Dann jedoch passierte was Merkwürdiges.
    Matt blieb stehen, zückte die Einwegkamera, machte ein Foto von den Typen, wie sie die Straße hinunterrannten, dann steckte er sie wieder weg.
    Dev und ich hielten Abstand, waren nicht sicher, ob er noch alle beisammenhatte, ob er uns in den Schwitzkasten nehmen oder durch ein Fenster stoßen oder ein Foto von uns machen wollte, wie wir vor ihm flüchteten, weil er mit der Eisenstange nach uns ausholte. Was konnte ich schon tun? Auf Lehrermodus schalten und »Matthew Fowler, sofort hörst du auf damit!« rufen? Wir waren allein, es war nach Mitternacht, und ein Junge, der einem kleinen Kind einmal fast die Augen ausgestochen hatte, war angesichts einer geringfügigen Gewaltandrohung aus geflippt