Auf den ersten Blick

liebsten«, sagte Matt, »würde ich jetzt in den Pub gehen.«
    »Und arbeitsmäßig gesehen …«, sagte ich.
    »Ich bin ganz zufrieden mit dem, was ich mache …«
    »Reicht das?«
    »Wie? So wie Ihnen das Unterrichten gereicht hat?«
    Ich seufzte.
    »Ich war ein mieser Lehrer«, sagte ich.
    »Nee«, sagte Matt. »Sie waren schwach, ja. Aber Sie haben uns machen lassen, was wir wollten.«
    »Ich weiß ja nicht, ob das so in der Jobbeschreibung steht«, sagte Dev, und Matt setzte sich auf.
    »Das meine ich nicht. Ich meine, Sie haben uns sein lassen. Sie haben nicht versucht, uns zu verändern. Sie waren schon in Ordnung. Nur vielleicht nicht ganz mit dem Herzen bei der Sache.«
    Ich fühlte mich schlecht. Sie und ich, wir wissen beide, dass er recht hatte. Ich wusste nur nicht, dass er es auch wusste. Ich fühlte mich ertappt. Als wüsste er, dass ich, egal ob ich nun mit Kindern, Eltern oder Schule zu tun hatte, eigentlich lieber woanders gewesen wäre. Ich will hier gar nicht groß von meiner finsteren Seele anfangen. Ich sage nur, vielleicht hatte ich gedacht, ich würde damit durchkommen. Vielleicht hatte ich mir nur eingeredet, dass ich für etwas anderes geschaffen war, statt zu versuchen, das zu tun, wofür ich da war. Vielleicht versuche ich es nie wirklich. Ich beschloss, es jetzt zu versuchen.
    »Was willst du mit deinem Leben anfangen?«
    »Weiß nicht«, sagte er verlegen.
    »Schon okay«, sagte ich. »Manche Leute wissen es jahre lang nicht. Ich zum Beispiel.«
    »Ich will was machen .«
    »Okay«, sagte ich. »Das ist gut. Wofür interessierst du dich?«
    »Fußball. Musik.«
    »Was für Musik?«
    »Musik eben. Egal.«
    »Hast du dein Baby deshalb Elgar genannt?«, sagte ich, und er lächelte, als wäre das absurd, was es keines wegs war. »Du solltest eine Ausbildung oder irgendwas machen. Rausfinden, was du tun willst, und dir eine Lehrstelle suchen. Dir steht alles offen. Die Welt liegt dir zu Füßen!«
    Matt sah mich an. Ich wusste, was er dachte.
    »Dann also in den Pub«, sagte ich.
    Nach vier Halben im Jolly Sailor waren wir wahre Genies.
    »Spanien!«, rief Dev.
    »Spanien ist nicht die Hauptstadt von Spanien«, sagte ich.
    Bis jetzt hatte uns die Maschine um acht Pfund beraubt, und das blecherne Mitgefühl des Moderators wurde längst nicht so begeistert aufgenommen, wie man meinen würde.
    »Madrid!«, sagte Matt, und beeindruckt sah ich ihn an. Dann merkte ich, wie oberlehrerhaft es sich anfühlte, also wandte ich mich ab und drückte C.
    »Real Madrid, oder?«, sagte Matt. »Pro Evo…«
    »Du spielst Pro Evolution Soccer? «, sagte Dev kopfschüttelnd. »Ist mir zu kommerziell.«
    »Was spielst du denn?«
    » Sony World Tour Soccer.«
    »Das ist doch scheiße.«
    »Ist es nicht! Es ist genial.«
    »Dev!«, sagte ich verzweifelt. »In welchem Jahr wurde Sim City 2000 zuerst für PlayStation veröffentlicht?«
    Von allen Fragen würde Dev diese doch wohl am ehesten beantworten können.
    »Welche Möglichkeiten gibt es?«, sagte er aufgeregt.
    »Dev! Mach die Augen auf!«
    »Ich überlege!«
    »A: 1990 . B: 1993 . C: 1999 . D: 2000 .«
    Dev schlug die Augen auf und betrachtete den Bild schirm mit leerem Blick. Die Uhr lief. Der Moderator wippte auf und ab und machte ein selbstgefälliges Gesicht.
    »Dev? Schnell! Wir können ein Pfund gewinnen!«
    »Also, das ist eine interessante Frage …«
    Noch zehn Sekunden. Dev strich über sein Kinn und machte: »Hmm.«
    »Dev !«
    »Ich brauch mehr Zeit!«
    »Haben wir aber nicht!«
    Fünf Sekunden.
    Matts Hand knallte auf die Taste.
    » 1993 !«
    Ein quälender Moment.
    Ding.
    »Das ist die richtige Antwort!«
    Der Moderator sah total begeistert aus. Wir klatschten uns ab und grinsten einander an.
    Eine Pfundmünze kullerte unten im Ausgabefach herum.
    »Ich schmeiß ’ne Runde Pommes«, sagte Matt.
    »Oder …«, sagte Dev, und wir sahen ihn an. Er holte etwas aus seiner Tasche und faltete es auseinander.
    Wie sich herausstellte, investieren Läden, die nur ein Pfund Eintritt nehmen, dieses Geld nicht in ihre Einrichtung.
    Das Cadillacs war grauenvoll. Absolut grauenvoll. Bil lig, heruntergekommen und an ein windschiefes Hotel getackert. Außerdem stank es nach Bier, das im Lauf der Jahrzehnte auf dem Teppich verschüttet und mit Pfennigabsätzen und Nikes eingerieben worden war. Die Wände klebten – die Wände! –, und irgendwas lag in der Luft. Aggression vielleicht, oder zumindest der Geruch enttäuschter Kleinstädter, die am Samstagabend