Auf den ersten Blick
zu viel getrunken und zu wenig gegessen hatten. Sie sahen alle gleich aus: Ben-Sherman-Hemden, schicke Gürtel, Schuhe mit Silberschnallen oder Sporttreter mit dicken Schnürsenkeln.
»Wir sollten uns ein Gläschen Champagner holen!«, sagte Dev, was vermutlich das erste Mal war, dass jemand so etwas im Cadillacs gesagt hatte. Mit Sicherheit war es das erste Mal, dass Dev es sagte. »Wir sollten uns ein Gläschen Champagner holen und dann Frauen ansprechen, damit wir sie später als Schlampen beschimpfen können!«
»Ich weiß nicht, ob das in Whitby funktioniert.«
»Dann könnten wir sie auch ›Ladys‹ nennen.«
»Heute Abend gibt es keinen Schampus«, sagte ich.
»Dann einen hübschen Cocktail!«, rief Dev begeistert.
Irgendwo in der Nähe fing jemand eine Schlägerei an.
Wir saßen mit drei Männerbieren in einer Ecke nahe der Tanzfläche. Dev starrte Frauen an, Matt holte sein Handy raus.
»Ich schreib nach Hause«, sagte er. »Meinem kleinen Bruder.«
In einer anderen Ecke hockten drei Typen mit Slipknot-T-Shirts und Pferdeschwänzen, die Köpfe gesenkt, Snakebites in der Hand. Die einzigen drei Metalheads in Whitby hielten zusammen, um sich gegenseitig Schutz und Trost zu bieten.
Dann …
»Oh mein Gott, guck dir die an!«, sagte Dev plötzlich.
Da stand ein beherzt wirkendes Mädchen mit hochtoupierter Tolle und einer Flasche mit blauem Inhalt. Und Dev zeigte mit dem Finger auf sie.
»Nicht zeigen!«, sagte ich. »Nur beobachten, wenn es unbedingt sein muss.«
»Du hast leicht reden«, sagte er und wandte sich mir zu. »Bei dir ist alles klar! Du hast das Schicksal auf deiner Seite! Du hast dieses Mädchen auf dem Foto! Und was habe ich? Ich habe eine desinteressierte Polin, die einen Freund hat!«
»Ich würde nicht gerade sagen, dass bei mir alles klar ist, Dev«, sagte ich. »Und ich würde auch nicht sagen, dass ich das Schicksal auf meiner Seite habe. Ich habe Snappy Snaps auf meiner Seite. Das ist nicht dasselbe.«
»Du hast das Schicksal auf deiner Seite! Und du wurdest befördert …«
»Befördert?«, sagte Matt und blickte auf. »Dürfen Sie jetzt auch die Kasse bedienen?«
»Nicht im Laden. Bei London Now «, sagte ich ganz ruhig. »Ab Montag bin ich stellvertretender Rezensionsredakteur.«
»Echt?«, sagte Matt. »Cool.«
»Zurück zu mir«, sagte Dev. »Du hast ein Mädchen auf einem Foto. Matt hat eine Familie. Ich bin der Einzige, der …«
»Frei ist?«, sagte Matt.
»Genau!«, sagte Dev. »Frei!«
Ich war mir aber nicht sicher, ob Matt das so gemeint hatte.
»Wenn mir also danach zumute ist, auf ein Mädchen zu zeigen …«
»Auf wen zeigst du?«, sagte eine Stimme irgendwo neben uns.
Wir blickten auf. Das Mädchen mit der hochtoupierten Tolle und der Flasche mit dem blauen Zeug stand vor uns, mit eisigem Blick. Links und rechts von ihr je eine stämmige Freundin im Jeansrock.
Oh mein Gott, dachte ich. Die sind zu dritt. Und wir sind zu dritt. Was ist, wenn sie uns gewaltsam eine Beziehung aufzwingen wollen?
»Nein«, sagte Dev offensichtlich erschrocken und schob seine Brille so hoch, wie es ging. »Ich hab auf was anderes gezeigt.«
Was anderes?
»Person. Auf eine andere Person «, sagte Dev. »Die eben noch da war. Aber jetzt weg ist.«
»Wer bist du?«
Wer? Nicht »Wie heißt du?«?
»Ich bin Dev«, sagte Dev. »Und das hier ist … meine Familie.«
Er warf mir einen panischen Blick zu. Vielleicht dachte er, die Frau vom B&B hätte ihre Spione überall.
Die drei Mädchen sahen Matt an. Keine von ihnen sah mich an.
»Alles okay?«, sagte die Anführerin.
»Alles okay«, sagte Matt.
Sie sahen mich immer noch nicht an. Ich war leicht gekränkt.
»Wie heißt du?«, sagte sie.
»Matt«, sagte Matt.
»Sind das deine Dads?«, sagte sie.
Sind das deine Dads?
»Freunde von mir«, sagte er, und mir wurde innerlich ganz warm. Freunde von mir. Nicht »Das ist mein alter Lehrer und sein Mitbewohner«. Freunde.
»Wer ist das?«, sagte ein Mann, der plötzlich dastand. Er trug ein Ben-Sherman-Hemd und Schuhe mit kleinen Silberschnallen, aber das haben Sie vermutlich schon geahnt.
»Niemand«, sagte das stämmige Mädchen und schien sich über sein Interesse zu freuen.
»Paul hat dir ein Bier geholt«, sagte er und versuchte, sie wieder auf die Tanzfläche zu lotsen.
»Will kein Bier«, sagte sie.
Oh-oh.
»Paul. Hat. Dir. Ein. Bier. Geholt«, sagte er langsam und eindringlich und sah sie dabei an.
»Hab nicht um Bier gebeten«, sagte sie und wandte sich
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