Auf den ersten Blick
kaute auf den Worten »Sie ist Kunststudentin« herum.
»Ja, ich seh sie manchmal, diese Kunststudenten. Sie tragen große Brillen. Hab neulich erst im Wimpy einen ganzen Pulk von denen gesehen, die alle falsche Bärte trugen. Keine Ahnung, was das sollte. Aber wieso treibt sie sich ausgerechnet mit euch beiden rum?«
»Wieso denn nicht?«, sagte ich etwas zu defensiv, fügte jedoch an: »Abgesehen davon, dass sie zehn Jahre jünger ist als wir und unendlich viel cooler. Ich meine, das seid ihr zwei natürlich auch alles … von Letzterem mal abgesehen.«
Matt lachte. Es tat gut, wenn Matt lachte. Wir waren auf bestem Wege, richtige Freunde zu werden. Jedes Mal, wenn wir uns wiedersahen, war da dieser leise Frost. Da musste erst noch einiges abtauen, bis er vergaß, dass ich nicht mehr sein Lehrer und er nicht mehr mein Schüler war. Aber das Lachen tat gut.
»Ich mein ja nur …«, sagte er und gab sich Mühe, seine Worte mit Bedacht zu wählen, was ihm jedoch nicht gelang. »Bist du … ich meine, bist du mit ihr zusammen?«
»Nein«, sagte ich eilig und verlegen. »Nein, wir sind nur Freunde.«
Die Tür ging auf. Ein Kunde kam herein. Wir wandten uns ihm zu, und er zögerte kurz, als überlegte er, ob er uns wohl bei irgendwas gestört hatte. Überrascht ließ Dev seinen Daily Star sinken. Der Kunde schloss die Tür leise hinter sich, als er wieder ging.
»Es hat einfach klick gemacht!« , sagte Dev, und Matt und ich drehten uns um.
»Hier ist ein Artikel«, sagte er. »Über einen Mann, der eine Kamera gefunden hat.«
Das weckte mein Interesse …
»Er hat eine Kamera gefunden, eine digitale, als er im Urlaub war, und er hat sich die Bilder angesehen und bei Facebook reingestellt. Der Typ, dem die Kamera gehörte, wurde vom Freund eines Freundes erkannt, und so hat er die Kamera zurückbekommen. Voll nett.«
»Das Kleine-Welt-Phänomen«, sagte ich und kam mir schlau vor.
»Bitte was?«, sagte Matt.
»Jeder ist mit jedem verbunden«, sagte ich.
Wieder bimmelte das Glöckchen über der Tür, doch diesmal machte ich mir nicht mal mehr die Mühe hinzusehen, denn es kam bei Dev öfter vor, dass Kunden mehrmals Anlauf nehmen mussten, um den Laden zu betreten.
»Such dir irgendwen auf der Welt, und ich kenne jemanden, der jemanden kennt, der jemanden kennt, der ihn kennt. Angeblich funktioniert das in sechs Schritten. Ich habe es nie ausprobiert, denn wieso sollte ich, aber dar über sollte man mal nachdenken, oder?«
Aber Dev sah mich nicht an, als wäre er beeindruckt. Dev sah mich an, als fürchtete er das, was gleich passieren würde.
»Hallo, Jason.«
Ich drehte mich um.
»Hi, Sarah«, sagte ich.
Es war das erste Mal, dass ich sie wiedersah, seit … Gott, wie lange war es her? Sie trug Sachen, die ich an ihr noch nie gesehen hatte. Noch immer braun gebrannt von der Algarve. Da war er. Der Ring. Ein Zeichen ihres bleibenden Bekenntnisses zu Gary, dem wilden Mann von Altringham. Mein Blick zuckte zu ihrem Bauch – noch nichts zu sehen, nicht wirklich. Oh. Sie hatte sich ein neues Uhrenarmband gekauft. Komisch, was einem alles auffällt, wenn man seine Ex wiedersieht.
»Wen suchst du denn?«, sagte sie und ließ es leicht und luftig klingen, als könnte sie vielleicht helfen.
»Niemanden«, sagte ich. »Du weißt schon. Irgendwen. Einen Kunden. Von Dev.«
»Du lügst«, sagte sie lächelnd.
»Ich lüge nicht «, sagte ich griesgrämig, weil ich nicht verstand, wieso sie in letzter Zeit immer dachte, dass ich log, selbst wenn ich es tat. Und vielleicht, weil ich das Gefühl so gut kannte, kehrte die Scham zurück. Die Scham war das Schlimmste. Die Schuldgefühle waren seltsamerweise nur halb so schlimm, aber immer da, immer hinten in meiner Kehle eingeschnürt und tief in meiner Brust an all den Tagen, an denen ich es ihr verheimlicht hatte, doch die Scham war allumfassend und prall und saß sehr tief.
Denn das, was ich Ihnen nicht erzählen wollte – was Sie vermutlich längst wissen –, war, dass ich ihr etwa einen Monat nach Dylan und seinem Luftgewehr, nach einem Monat fortwährender Unterstützung durch Sarah, nach Umarmungen und Tee von ihrer und Tränen und Trostlosigkeit von meiner Seite, das eine Mal heimgezahlt habe, als sie nicht mehr konnte, als sie mich anschnauzte und meinte, ich sollte mich endlich mal zusammenreißen – indem ich wütend wurde, mich betrank, ausging und mit einer anderen schlief. Indem ich – um es auf den Punkt zu bringen – mit Zoe
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