Auf den ersten Blick
gelassen, und als ich dann schließlich kneifen woll te und mit der Ausrede kam, ich müsste mir einen Toastie machen, hatte sie Sarah aus meiner Freundesliste gelöscht.
»Um ehrlich zu sein, habe ich Respekt vor dem, was du getan hast. Einer von uns musste es tun. Du brauchst Abstand, du musst tun, was ich getan habe, und neu anfangen. Es ist nur … es hat ein bisschen wehgetan. Als würdest du mich ausschließen.«
Gut so, dachte ich.
Ich freue mich, dass es wehgetan hat.
Und meine Laune besserte sich, denn obwohl es das Kindischste auf der Welt war, fühlte es sich gut an, ihr wehgetan, einen kleinen Fortschritt gemacht, irgendwas bewegt zu haben, weil es bedeutete, dass es sie immer noch berührte, dass ich noch wichtig war. Einmal hatte ich ihr in unserer Beziehung schon wehgetan, und zwar sehr. Und jetzt freute ich mich, dass ich es wieder getan hatte, feierte diesen kleinen, infantilen Sieg.
Da wurde mir bewusst, dass ich nicht so denken sollte. Dieser selbstsüchtige Sieg war kläglich, hohl und bedeutungslos.
»Ich habe dich nicht gelöscht«, sagte ich leise. »Das war meine Freundin. Die russische Prostituierte.«
Ihre Miene hellte sich auf, ganz leicht nur, und doch nahm ich es wahr, wie ich bei Sarah immer die leiseste Veränderung wahrnahm.
»Ich hatte daran gedacht. Nicht aus Gemeinheit, sondern weil es mir so schwerfällt, dir dabei zuzusehen, wie du dein neues Leben anfängst, während ich bei Dev über dem Laden wohne.«
Ein Lastwagen rumpelte vorbei. Wie hielten unsere Tassen auf dem Tisch fest, während die Erde bebte und sich die Luft in Diesel verwandelte.
»Aber ich konnte es nicht. Und ich wollte es auch nicht. Wir haben eine gemeinsame Vergangenheit. Trotzdem will ich in die Zukunft blicken, denn das habe ich mir vorgenommen. Und was hätte es für einen Sinn, die Vergangenheit zu leugnen? Sie wäre doch vergeudet, oder?«
Sie lächelte.
Öffnete ihre Handtasche.
Nahm einen Umschlag heraus und schob ihn über den Tisch.
»Es wäre schön, wenn du kommen könntest«, sagte sie mit einem Lächeln, halb Hoffnung, halb Entschuldigung.
Pamela kam herausmarschiert und warf noch mal tausend Zuckertütchen auf den Tisch.
Dev und ich setzten Abbey an der Victoria Station ab, damit sie den Sechsuhrzug nach Brighton nehmen konnte.
»Was macht ihr Jungs nächsten Freitag?«, sagte sie.
»Weiß nicht«, sagte ich.
»Ich ruf euch an«, sagte sie, gab uns beiden einen Kuss auf die Wange und rückte ab, salutierte mit ihrer kalten Zigarre.
»Die steht total auf uns«, sagte Dev, als sie ging.
»Okay. Zur Charlotte Street«, sagte ich. Aber nicht, um das zu tun, was Sie denken.
»Ihr kommt tatsächlich!«, sagte Clem und klammerte sich an sein Bier. Er hatte das Etikett fast gänzlich abgekratzt, denn seine Nerven lenkten seine Finger.
»Es war der Tagestipp in London Now «, sagte ich. »Da mussten wir doch kommen.«
»Seid nicht allzu streng mit mir«, sagte er augenzwinkernd. »Es ist erst mein dritter Giggle.«
Clem hatte sich angewöhnt, seine Gigs als Komiker »Giggles« zu nennen. Ich hoffte, das wäre nicht typisch für seinen Auftritt, hatte aber so das Gefühl, als wäre es genau das.
Wir standen ganz hinten im Chucklehead, einer Teilzeit-Disco etwa zwanzig Meter von der Percy Passage entfernt, und sahen uns um. Ein Schwarm Hühner in der ersten Reihe, jetzt schon laut und betrunken, um kurz nach halb sieben, die angehende Braut umschwirrt von rosa Flügeln und Heiligenscheinen. Dahinter eine Gruppe aus ländischer Studenten, Opfer einer Flyer-Aktion in letzter Minute, hereingelockt vom Versprechen auf ein Erlebnis, einen unvergesslichen Abend in London. Hinter ihnen ein Pärchen mittleren Alters, vermutlich in die Irre geführt von schlechten Fotokopien berühmter Komiker, von denen – wie ich vermute – keiner jemals aufgetaucht war, um im Chucklehead seinem Gewerbe nachzugehen.
Am Tresen schleimte sich Clem bei den anderen Komikern ein, versuchte, mit ihnen über das Handwerk des Witzeschreibens zu reden, während die anderen versuchten, sich in den entsprechenden Gemütszustand zu versetzen, um den Abend beginnen zu können und so bald wie möglich damit durch zu sein, nicht sonderlich erpicht darauf, sich von diesem ältlichen Lückenbüßer Ratschläge geben zu lassen.
»Und was meinst du jetzt, was mit Abbey los ist?«, sagte Dev und stieß mich an.
»Wie meinst du das?«
»Wieso ist sie so scharf darauf, Freitag und Samstag mit uns zu verbringen? Wieso will
Weitere Kostenlose Bücher