Auf den Flügeln der Sehnsucht
Frank. Und das mit den Unkosten ist blanker Unsinn. Deine Schwester und jeder andere aus deiner Familie soll auf dem Hof herzlich willkommen sein."
"Lena, du... du bist eine wunderbare Frau." Er blickte ihr tief in die Augen, und wie von selbst lag seine Hand plötzlich auf der ihren. Langsam näherte sich ihr sein Gesicht und dann lagen seine Lippen auf ihren Lippen.
Die junge Bäuerin schloss die Augen. Sie genoss dieses Gefühl seiner Nähe, das sie seltsam verwirrte und gleichzeitig unendlich beruhigte. Am liebsten hätte sie alle Uhren angehalten, nur um ihn immer fühlen zu können. War das die Liebe? In diesem Augenblick war Lena davon überzeugt, nur Frank zu lieben und das für alle Zeiten.
Plötzlich ließ der Mann sie erschrocken los. "Entschuldige bitte, das hätte ich nicht tun dürfen", murmelte er verlegen. "Du... du bist die Bäuerin und ich nicht viel mehr als ein Knecht. Ich hab nicht das Recht, dich..." Er sprang hastig auf. "Danke für dein Verständnis", sagte er noch, dann stürmte er nach draußen.
Verwirrt saß Lena da und wusste nicht, was sie von seiner Reaktion halten sollte. Doch noc h länger darüber nachdenken brachte auch nichts. Also stand sie ebenfalls auf und folgte ihm. "Die Milch, Frank, und dann hab ich noch ein paar dringende Wünsche aufgeschrieben." Sie deutete zu den Kannen, die sie bereits fein säuberlich vor dem Haus aufgestellt hatte. "Während du sie auf das Auto ladest werde ich einstweilen meinen Zettel suchen."
Sofort kam der Mann ihrer Aufforderung nach und war wenig später fertig mit laden. "Es kann gleich losgehen."
"Sag Mila, dass es mir sehr L eid tut wegen ihres Kindes." Lena versuchte, sich wieder auf das Tägliche zu konzentrieren. "Wenn ich irgendwie helfen kann, dann soll sie es mich wissen lassen."
"Ich werde es ihr ausrichten." Frank sprang hinter das Steuerrad und drehte den Zündschlüssel im Schloss herum. Der Motor sprang sofort an. "Pass auf dich auf, Bäuerin", sagte er. In seinem Blick lag plötzlich eine Sehnsucht, die kaum zu ertragen war.
Verblüfft beobachtete Lena sein wechselndes Mienenspiel, konnte es jedoch nicht deuten, nicht nach seinem seltsa men Verhalten von vorhin. "Wolltest du noch etwas sagen, Frank, ehe du wieder ins Tal fährst?" versuchte sie ihm ein paar persönliche Worte zu entlocken.
"Ic h... nein, es ist eigentlich nichts", lenkte er ab. Dann gab er Gas, und das Auto machte einen entrüsteten Satz nach vorne. Frank lachte, dass seine weißen Zähne nur so blitzten. "Ich komm bald wieder, Lena. Bleib mir treu bis dahin!" rief er, dann fuhr er davon.
"Das wird nicht schwer sein hier oben", murmelte die Frau verbittert vor sich hin. Noch immer musste sie an seinen Kuss denken. Sanft war er gewesen und voll inniger Gefühle. Dennoch brannte er wie Feuer auf ihren Lippen. Doch was sollte sein Rückzieher, der ihr mehr wehtat, als sie wahr haben wollte.
Er liebte sie nicht, hatte sie nur aus Dankbarkeit geküsst, weil sie nichts gegen den Besuch seiner traurigen Schwester einzuwenden gehabt hatte. Natürlich, das war es. Ihre Freude war verfrüht gewesen.
"Dann eben nicht", sagte sie leise vor sich hin und ging in die Hütte zurück, wo noch eine Menge Arbeit auf sie wartete. Doch darüber war sie froh, denn was gab es Besseres gegen Liebeskummer als viel Arbeit? Den Rat wollte sie später auch Marion geben, Franks Schwester.
* * *
Die Tage plätscherten so dahin auf der Hochalm. Jeden Morgen der gleiche Trott, jeden Abend dieselbe Arbeit. Lena schaffte von früh bis spät, und die Arbeit machte ihr Freude. Wie sie es sich vorges tellt hatte, gelang es ihr auch oft, über ihr Leben nachzudenken und sich langsam klar darüber zu werden, was sie eigentlich von der Zukunft erwartete.
Jetzt erkannte Lena, dass es ihr eigentlich große Freude machte, Bäuerin zu sein. Das war der Beruf, in den sie hineingeboren, in dem sie aufgewachsen war und der besser zu ihr passte als die Arbeit in der Bank. Dort hatte sie sich irgendwie fehl am Platz gefühlt, obwohl sie auch gern mit Papier und mit Vorschriften zu tun gehabt hatte.
An diesem Morgen hatte Lena Baumann zum ersten Mal seit dem Tod des Bruders von Josef geträumt. Es war ein schöner Traum gewesen, sanft und voller Hoffnung. Josef war auf den Hof gekommen, um seine Familie zu besuchen. Der Vater hatte vor Freude kaum gewusst, wie er sich verhalten sollte, und sie, Lena, war ihm jubelnd um
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