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Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watt
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Tabakstrahl auf die Erde und ritt davon. Es sah nicht so aus, als wollte der Inspektor ihm verraten, wovon er sprach.
    Der Amerikaner hatte sich nicht getäuscht. Gordon hatte nicht die Absicht, darüber zu sprechen, dass er im Flug des Adlers den Geist des alten Darambal-Kriegers sah. Er blickte dem Adler nach, bis er vom Wind abgetrieben wurde und mit dem fernen Horizont verschmolz. Vielleicht hatte Peter Recht gehabt. Wallarie war ein Geist und nicht zu fassen.

32
    Die Fahrt mit der Hafenfähre rief in Michael bittersüße Erinnerungen wach an die Zeiten, in denen er und sein Cousin Daniel Duffy ihre kostbare Freizeit an den einsamen Stränden der mit Buschwerk bedeckten Landspitze von Manly verbracht hatten. Eine Zeit der Unschuld – Michael träumte damals davon, Maler zu werden, während Daniels Ehrgeiz der Juristerei galt.
    Zumindest Daniels Träume hatten sich erfüllt, das wusste Michael von seiner Schwester Kate. Er saß als Vertreter des Arbeiterviertels, in dem sie aufgewachsen waren, in der gesetzgebenden Versammlung. Michaels Träume dagegen waren in jener Nacht für immer zerstört worden, in der er bei einem Straßenkampf Jack Hortons Halbbruder tötete. Seit zwei Jahrzehnten hielt ihn seine Familie – mit Ausnahme seiner Schwester – für tot. Seit zwei Jahrzehnten lebte er in ständiger Gefahr.
    In vielerlei Hinsicht, sinnierte er schwermütig, war sein Schicksal an dem Tag besiegelt worden, an dem er und Daniel am Anleger von Manly gestanden und auf die Fähre gewartet hatten. In der schwülen Luft jenes Sommernachmittags hatte sich ein heftiges Gewitter zusammengebraut. An diesem Tag erblickte er zum ersten Mal die schöne, dunkelhaarige junge Frau, deren Finger sich bei einem heftigen, nahen Donnerschlag in seinen Arm krallten. Dass er Fiona Macintosh begegnete, war scheinbar reiner Zufall. Doch als die Umstände der tödlichen Beziehung zwischen der Familie Macintosh und seiner eigenen deutlich wurden, mochte Michael nicht länger an Zufall glauben. Es war, als hätte sie eine mächtige Kraft zusammengeführt, um einen von ihnen oder alle beide zu bestrafen.
    Kate war überzeugt davon, dass das Massaker am Nerambura-Clan aus dem Volk der Darambal sehr wohl mit den Tragödien zu tun hatte, die beide Familien über die Jahre heimgesucht hatten. Auch wenn Michael zunächst nichts davon hatte hören wollen, respektierte er doch das Wissen seiner Schwester über die Welt, die jenseits der Schatten der Nacht lag. War seine Begegnung mit Fiona durch eine Macht vorherbestimmt gewesen, die sein Verständnis überstieg?, fragte er sich nun erneut, als sich die Dampffähre ihrem Anlegeplatz näherte. Während er den überfüllten Pier betrachtete, überlegte er, ob vielleicht auch die jetzige Phase seines Lebens bereits festgelegt war.
    Der Landesteg wurde scheppernd vom Kai auf die Fähre geschoben, und die Passagiere verließen das Schiff. Während er den Pier entlang auf das malerische Dorf zuging, das eingebettet zwischen den ruhigeren Wassern des Hafens und den rollenden Brechern des Pazifik lag, genoss Michael die frische Salzluft. Hier schienen ständig Ferien zu sein, was genau der Absicht des visionären Gründers der Ortschaft entsprach. Henry Gilbert Smith, der 1827 aus England eingewandert war, hatte Manly als das Brighton Sydneys geplant.
    Michael durchquerte das Dorf auf dem Corso, den Henry Smith nach einer Straße benannt hatte, die er in Rom gesehen hatte. Er passierte belebte Hotels und elegante kleine Geschäfte, bis er ans Ende der Hauptstraße kam, wo die Brecher ans Ufer schlugen. Wenn die Informationen, die John seinem chinesischen Gemüselieferanten entlockt hatte, richtig waren, hielt sich Fiona an diesem Tag im Sommerhaus auf.
    Es war mitten am Vormittag, und die frische Brise fuhr vom Meer her durch seine dichten Locken, als er durch den unter seinen Stiefeln knirschenden Sand stapfte. In der Ferne entdeckte er eine winzige Gestalt, die auf dem Strand langsam in die andere Richtung schlenderte. Sie hielt einen bunten Sonnenschirm und ging barfuß, um das kühle Meerwasser zwischen ihren Zehen zu genießen. Selbst auf diese Entfernung wusste Michael, dass es sich um die Frau handelte, die er suchte.
    »Die Engel im Himmel mögen dich schützen«, sagte er leise, als er sich ihr von hinten näherte. Fiona erstarrte, und für einen kurzen Augenblick dachte Michael, sie würde in Ohnmacht fallen. Aber sie fasste sich wieder und drehte sich langsam um, als würde sie damit

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