Auf den Flügeln des Adlers
bedenken. »Jeder Tag, an dem Ihr Vater mit den Buren zu tun hat, ist auf die eine oder andere Art ein Tag weniger in seinem Leben.«
»Patrick hat Recht, George«, warf Enid mit leiser Stimme ein. »Ich finde, er sollte es versuchen. Wenn ich mich recht erinnere, läuft heute Abend einer unserer Klipper mit einer Ladung Wolle nach England aus, und zwar über die Kap-Route. Wenn du dich beeilst, kannst du das Schiff noch erreichen. Es ist die Lady Jane, unser schnellster Klipper.«
Als Patrick seine Großmutter jetzt anblickte, fühlte er plötzlich Respekt und Zuneigung für sie, weil sie ihn unterstützte. »Danke, Oma«, flüsterte er, während er sich vorbeugte, um sie leicht auf die Wange zu küssen. Es war das erste Mal, dass er sie so genannt hatte. Tränen stiegen ihr bei seiner impulsiven, liebevollen Geste in die Augen, aber sie wollte ihn nicht sehen lassen, dass sie weinte. Dafür war sie zu stolz. Deshalb entschuldigte sie sich, sobald sie das Haus erreicht hatten.
Nur Godfrey hatte bemerkt, dass ihre Augen feucht wurden. An diesem Nachmittag war eine dramatische Veränderung mit ihr vorgegangen. Wenn sie sich doch nur mit ihrer Tochter versöhnen könnte, dachte er traurig, dann fand sie vielleicht die Liebe, die ihr so viele bittere Jahre lang versagt geblieben war.
Enid ging in ihre Bibliothek. Sie musste allein sein, um über die Folgen nachzudenken, die ihr plötzlicher Sinneswandel haben würde. Musste ihre Lüge irgendwann ans Licht kommen? Sie konnte nur hoffen, Gott sorgte dafür, dass Patrick ihr verzieh. Wenn sie sich schuldig gemacht hatte, dann weil sie begonnen hatte, ihn zu lieben, und alles in ihrer Macht Stehende getan hatte, damit er bei ihr blieb. Bestimmt würde er die Schwäche einer alten Frau verstehen, die das einzige Fleisch und Blut schützen wollte, das noch an ihrer Seite war. Sie betete inbrünstig zu Gott, dass Er ihr den Weg zeigen möge.
George Hobbs bemerkte den sintflutartigen Wolkenbruch, der über dem Dach seines Büros niederging, kaum, so vertieft war er in das Rätsel, das er in den Spalten seiner Geschäftsbücher entdeckt hatte. Ein einfacher Buchhaltungsfehler hatte ihn veranlasst, sich die Konten anzusehen, die er angelegt hatte, nachdem Captain Duffy das Büro übernommen hatte. Jetzt fuhr er mit dem Finger über eine Reihe von Zahlungen. Seltsamerweise waren große Beträge aufgetaucht, von denen er nie gehört hatte. Die Handschrift glich seiner, aber es war nicht die seine!
Stirnrunzelnd klappte er das schwere Buch zu, um sich den Einband anzusehen. Es sah aus wie eines von seinen, aber die in den Spalten verzeichneten Zahlungen blieben ihm ein Rätsel.
Er rang nach Luft, als ihm der Gedanke kam, dass es sich um eine Fälschung handeln könnte. Jemand hatte seine Bücher so gekonnt manipuliert, dass die Fälschung normalerweise erst aufgefallen wäre, wenn bei einer Buchprüfung die Höhe der Zahlungen aufgefallen wäre!
Er erhob sich von seinem Stuhl und rieb sich konsterniert das Gesicht. Der Regen hämmerte auf das Gebäude ein. Erst als er sich ans Fenster stellte, um die unter ihm vor Anker liegenden Schiffe zu betrachten, bemerkte er den Sturm, der draußen tobte. Hatte Captain Duffy die Bücher fälschen lassen? Die Antwort darauf konnte nur ein klares Nein sein. Warum sollte Captain Duffy auf so auffällige Art einem allgemein bekannten australischen Anhänger der Fenier regelmäßig Summen in dieser Höhe zukommen lassen? Der Fenier war ein Unruhestifter, der sich offen dafür aussprach, in Irland mit Waffengewalt eine blutige Rebellion gegen die Krone anzuzetteln, und seine radikalen Ansichten auch in der Presse der Kolonie äußerte.
Ein winziger Zweifel begann an dem Sekretär zu nagen. Hatte Lady Macintoshs Enkel vor seiner Rückkehr nach Australien nicht lange Zeit in Irland verbracht? Hatte sein irisches Blut die Oberhand gewonnen, und benutzte er jetzt die Finanzmittel der Macintoshs, um Hochverrat zu begehen?
Allein der Gedanke ließ George Hobbs erschauern. Was für ein Skandal eine solche Entdeckung für Lady Macintosh und die ganze Familie bedeuten würde! Doch da er wusste, dass es sich um Fälschungen handelte, musste jeder Versuch, Captain Duffy in Misskredit zu bringen, scheitern. Außerdem hatte Patrick seine Loyalität gegenüber der Königin mit seinen ausgezeichneten Leistungen in der Armee bewiesen.
Hobbs wusste, dass er Captain Duffy so schnell wie möglich informieren musste, um jeden Hauch eines Skandals zu
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