Auf den Flügeln des Adlers
und die Hand sanft auf ihre Schulter gelegt hatte. »Und Sie, Colonel«, begann er mit düsterer Miene. »Warum haben Sie seine Geleitschreiben für den Sudan widerrufen?«
Godfrey erwiderte seinen Blick mit der eisigen Verachtung eines Offiziers, der von einem Untergebenen verhört wurde. »Ihnen ist wohl nicht klar, dass ich Ihnen keinerlei Rechenschaft schuldig bin, Captain Duffy«, fuhr er auf. »Sie sollten sich Ihre Frage noch einmal gut überlegen.«
»Ich stehe nicht unter Ihrem Kommando«, erwiderte Patrick voll kalter Wut. »Ich denke nicht daran, meine Frage zurückzunehmen.«
George Godfrey war nicht so leicht einzuschüchtern. Viele Male hatte er den Feinden der Königin in der Schlacht gegenübergestanden, ohne mit der Wimper zu zucken, und er hatte gegen rebellische indische Soldaten gekämpft, die die Macht der Briten in ihrem Land brechen wollten – da schreckte ihn ein einfacher Captain nicht.
Enid sah, dass die Freundschaft zwischen den beiden wichtigsten Männern in ihrem Leben hochgradig gefährdet war. Godfrey würde ihr Vertrauen nie enttäuschen, und wenn es ihn das Leben kosten sollte. »George, ich glaube, ich sollte meinem Enkel diese Frage beantworten«, sagte sie leise. Sie sah Patrick an. »Ich habe den Colonel gebeten, die Briefe zu widerrufen. Er tat es nur ungern, aber ich habe darauf bestanden. Ich dachte, es wäre für alle Betroffenen das Richtige, aber jetzt ist mir klar, dass meine Entscheidung falsch war.«
Diese plötzliche Reue kam für Patrick überraschend. Dass Lady Macintosh nachgab, war etwas völlig Neues.
»Dein Vater ist ein guter, mutiger Mensch, Patrick«, fuhr sie fort. »Ich glaube, ich bin für viele Schwierigkeiten in seinem Leben verantwortlich. Niemand kann die Scherben der Vergangenheit auflesen und wieder zusammenfügen. Wenn es möglich wäre, würde ich vielleicht viele meiner Entscheidungen überdenken. Eine jedoch würde ich niemals zurücknehmen: Niemals würde ich deinem Vater erlauben, deine Mutter zu heiraten.«
»Weil er Ire ist?«, wollte Patrick wissen.
»Nein, wegen seines papistischen Glaubens. Kein Papist könnte jemals das Erbe der Macintoshs antreten, nicht einmal du.«
Ein kurzes Schweigen senkte sich über das Trio. Patrick dachte darüber nach, welch wichtige Rolle die Religion für seine Großmutter spielte. Er selbst hatte sich von der katholischen Kirche nur losgesagt, weil er Atheist war. Sein Übertritt zum streng protestantischen Glauben seiner Großmutter war ein reines Lippenbekenntnis gewesen.
Am düsteren Himmel grollte der Donner, und dicke Regentropfen fielen zwischen Bäume und Sträucher. Godfrey brach das Schweigen. »Wir gehen wohl besser ins Haus«, meinte er. »Sonst werden wir noch bis auf die Haut nass.«
Er half Enid hoch. Unterdessen eilte das Dienstmädchen herbei, um das leinene Tischtuch und die Tabletts mit den unberührten Häppchen zu retten.
»Colonel, wissen Sie, wo sich mein Vater im Augenblick aufhält?«, fragte Patrick impulsiv.
Godfrey warf Enid einen fragenden Blick zu. Sie nickte. Im Laufe der Zeit hatte sich eine solch enge Verbindung zwischen ihnen entwickelt, dass sie häufig keine Worte benötigten. »Ihr Vater ist gegenwärtig in wichtigen Angelegenheiten für das Empire in Südafrika tätig«, erwiderte er. »Sein genauer Aufenthaltsort ist mir unbekannt, aber ich weiß, dass er sich irgendwo in der Kolonie am Kap aufhält.«
»Was tut er dort?« Kalte Angst griff nach Patrick. Wenn Catherine bei ihm war, schwebte sie möglicherweise in Gefahr.
»Nach dem, was ich über seine Vergangenheit weiß, kann ich nur vermuten, dass Ihr Vater die Buren ausspioniert. Ich glaube, er hat sich dort unten als Waffenhändler eingeführt. In England wird vermutet, dass sich die holländischen Farmer erneut erheben werden, wie sie es einundachtzig getan haben. Ihr Vater soll für das Außenministerium Informationen sammeln.«
»Um Gottes willen!«, sagte Patrick mit erstickter Stimme. »Die Buren sind doch nicht dumm. Seine Mission muss früher oder später enttarnt werden.«
»Leider muss ich Ihnen zustimmen, Patrick«, meinte der Colonel sanft. In seiner Stimme lag echtes Mitgefühl. »Ihr Vater ist ein sehr tapferer Mensch, aber sein geradezu unheimliches Glück kann nicht endlos anhalten. Die Buren sind Spionen in ihren eigenen Reihen gegenüber nicht besonders nachsichtig.«
»Ich muss so schnell wie möglich ans Kap reisen.«
»Das könnte sich als sinnlos erweisen«, gab Godfrey zu
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