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Auf den Flügeln des Adlers

Titel: Auf den Flügeln des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watt
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beugte sich mit besorgter Miene über ihn.
    »Danke, Private MacDonald«, murmelte er. »Nur ein schlechter Traum.«
    »Na, dann ist’s in Ordnung«, erwiderte der riesige Schotte mit dem Glasgower Akzent erleichtert. »Hier kann man wirklich Albträume kriegen.« Patrick setzte sich auf und rieb sich die Augen. Der massige Schotte drückte ihm einen Becher mit dampfendem Tee in die Hand. »Trinken Sie, Sir, das hilft, einen klaren Kopf zu bekommen.«
    Dankbar seufzend nahm Patrick das heiße Getränk entgegen. »Wie spät ist es?«, fragte er, während er vorsichtig an dem stark gezuckerten Gebräu nippte.
    »Ein Uhr, Sir. Der Brigademajor sagt, wir sollen uns für den Vormarsch Captain Thorncroft und den Tommy-Stängeln auf der linken Flanke anschließen.«
    »Verdammt! Ich sollte mich gestern Abend um zehn beim Brigademajor melden.« Patrick war plötzlich hellwach. »Sie hätten mich wecken sollen.«
    »Nur die Ruhe, Sir. Major Hughes hat gesagt, ich soll Sie schlafen lassen«, beruhigte ihn Private MacDonald. »Er hat gemeint, Sie hätten ein wenig Ruhe verdient.«
    Private Angus MacDonald war Patrick als Offiziersbursche zugewiesen, solange er von seiner schottischen Brigade zu dem Kontingent aus Neusüdwales abgeordnet war. Vor zehn Tagen hatte der riesige Soldat bei Tofrick neben Patrick gekämpft, als die Derwische die Infanterie von Brigadegeneral Sir John McNeill an einem improvisierten Verteidigungsring überraschten. Tofrick lag ganz in der Nähe des quirligen Hafenstädtchens Suakin am Roten Meer, und die Attacke der wilden Wüstenkrieger hatte unter den Verteidigern zahlreiche Opfer gefordert. Erst nach erbitterten Kämpfen mit Bajonett, Gewehrkolben und Kugel konnte der Angriff zurückgeschlagen werden. Dabei war Patrick von einer Kugel niedergestreckt worden, die seinen linken Oberarmmuskel glatt durchschlagen hatte.
    Als er getroffen wurde, war er gerade in ein Handgemenge mit zwei Eingeborenen in weißen Gewändern verwickelt gewesen, die mit Speer und Schild bewaffnet waren. Sein Revolver hatte Ladehemmung gehabt, und er erinnerte sich noch lebhaft an den zum tödlichen Stoß erhobenen Speer über sich. Das Kriegsgeschrei des rasenden Schotten hatte in diesem Moment wie Musik in seinen Ohren geklungen. Blut spritzte über ihn, als der Gewehrkolben, den MacDonald wie eine Keule schwang, den Schädel des Derwischs mit einem Schlag zerschmetterte. Von jenem Augenblick an hatte der große Schotte eine besondere Beziehung zu dem jungen Captain entwickelt, den er wegen seiner natürlichen Begabung als Kämpfer schon immer respektiert hatte. Jeder Soldat verstand eine solche Bindung, unabhängig von seinem Rang. Der Captain trug zwar einen irischen Namen, aber es hieß, er sei Halbschotte. Dadurch wurde er dem abgebrühten Glasgower noch sympathischer.
    Und jetzt kehrten sie also an den Ort der blutigen Schlacht zurück. Patrick hatte für seine Abordnung zu den Tommy Cornstalks Private MacDonald als Burschen angefordert. Ihren Spitznamen – »Maisstängel« – verdankten seine australischen Landsleute der Tatsache, dass sie deutlich größer und schlaksiger als ihre britischen Cousins waren. Für die Tommy-Stängel war es der erste Einsatz als offizielles Kontingent an der Seite von Truppen aus Großbritannien und dem britischen Empire. Zwar hatte nur die Provinz Neusüdwales kleine Infanterie- und Artillerieeinheiten entsandt, aber diese waren sich vollauf bewusst, dass sie ganz Australien vertraten.
    In den frühen Morgenstunden erwachte das Biwak zum Leben. Bald würden die Männer aus Neusüdwales Gelegenheit erhalten, ihren erfahrenen britischen Cousins zu zeigen, aus welchem Holz sie geschnitzt waren.
    Patrick erhob sich und bürstete den Staub von seiner Uniform. Anders als bei Tel-el-Kibir trug er keinen Kilt. Die britische Armee hatte endlich die Vorteile von Tarnkleidung erkannt, und die kakifarbene Uniform, die die Männer nun im Feld anhatten, verschmolz mit der trockenen Felslandschaft des Sudan. Das australische Kontingent war zwar in roten Jacken und blauen Hosen an Land gegangen, hatte jedoch die Galauniformen bald gegen das Kaki der Wüste eingetauscht. Mit Tee, Kaffee und Tabaksaft hatte man die weißen Gürtel, Riemen und Tropenhelme gefärbt, sodass die Männer kaum noch von der riesigen Armee aus allen Teilen des Empire zu unterscheiden waren.
    Patrick rückte die Riemen und Taschen seiner Marschausrüstung zurecht und nahm den Revolver aus dem mit einer Klappe versehenen

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