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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Lappert
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den ein Erwachsener mit Daumen und Zeigefinger bilden kann, und sie aufgefordert, einen davon zu nehmen, und ihr dann, während sie sich die Tränen abwischte und den Keks aß, erzählt, dass die Quelle dieser Köstlichkeit versiegt sei, schon vor Monaten, und es keinen Grund zur Hoffnung gebe, es sei denn, man komme dem Rezept auf die Spur und lerne zu backen.
    Der Ventilator drehte sich, und für ein paar selige Minuten fühlte sich ihre feuchte Haut kühl an. Sie hörte nicht, als die Tür aufging, erst als sie geschlossen wurde. Durch den Schleier des Moskitonetzes sah sie eine Gestalt, die sich langsam aus der Dunkelheit löste. Die Bewegung, mit der Esters Arme den Stoff teilten, kam Megan wie eine rituelle Geste vor, wie die Absolution für eine noch zu begehende Tat.

 
    4
     
    Als Megan aufwachte, war Ester nicht mehr da. Dass sie nicht geträumt hatte, bewies der Zettel, der neben ihr lag. WOLLTE DICH NICHT WECKEN. SEHE DICH UM 11. ESTER. Auf der Rückseite stand die Nachricht von Raske. Megan hob das Moskitonetz an und tastete nach der Uhr. Als sie sah, dass es erst kurz vor zehn war, blieb sie liegen. Das Zimmer war bis in den letzten Winkel mit dem durch die dünnen Vorhänge dringenden Licht angefüllt, der Boden, die Decke und jede Wand ausgekleidet mit Helligkeit. Der Dieselmotor verstummte und der Ventilator hörte auf sich zu drehen. Wenn sie die Augen schloss, spürte sie das Gewicht von Esters Körper neben sich. Um nicht wieder einzuschlafen, stand sie auf und ging ins Bad. Eine Weile betrachtete sie sich im Spiegel. Irgendwann merkte sie, dass sie nach einer Veränderung in ihrem Gesicht suchte, aber bis auf einen roten Fleck am Hals fand sie nichts. Sie wusch sich, zog sich an und verließ die Unterkunft.
    Auf dem Weg zur Küchenbaracke sah sie Miguel und Jay Jay, die den Platz vor dem Besucherzentrum wischten und das Gras entlang des Zauns mähten. Sie winkte ihnen zu, und die beiden schwenkten ihre Mützen, als stünden sie an Deck eines auslaufenden Schiffes. Hinter einem der Fenster saß Nelson auf einem Stuhl und schien voller Konzentration auf die ersten Besucher zu warten.
    In der Küchenbaracke traf sie nur auf Carla, die sich geschminkt und die Haare frisiert hatte und in einer Reisetasche wühlte. Die Tischfläche war übersät mit Kleidungsstücken, Sonnenbrillen und billigem Schmuck.
    »Buenos dias!«, rief Carla, zog eine gelbe Bluse hervor und faltete sie auseinander.
    »Morgen.« Megan setzte sich, und keine zwei Sekunden später tratRosalinda durch den Holzperlenvorhang und brachte ihr eine Tasse Kaffee.
    »Großes Frühstück für Sie«, sagte die Köchin, und es klang nicht wie eine Frage, sondern wie eine Anordnung.
    »Nur ein wenig Rührei und Toast, bitte.«
    »Ich weiß«, sagte Rosalinda und verschwand.
    »Thor hat dich gestern gesucht.« Carla zog eine weiße Hose an der Taille auseinander und warf sie dann auf einen der Wäschehaufen.
    »Ich war bei Tanvir.«
    Carla sah Megan an, nahm dann aber nur eine weitere Hose aus der Reisetasche, diesmal eine braune mit hellen Streifen.
    »Beim Spazierengehen bin ich zufällig auf seine Hütte gestoßen.«
    »Was macht sein Zahn?« Carla faltete die Hose sorgfältig zusammen und legte sie auf einen Stapel, mit dem sie noch etwas vorzuhaben schien.
    »Er hat nichts erwähnt. Hat er Zahnschmerzen?«
    »Offenbar nicht mehr.«
    Rosalinda brachte eine riesige Portion Rührei mit gedämpften Tomaten, dazu vier Scheiben gebuttertes Toastbrot. In einer Schale lagen Bananen- und Apfelstücke. Sie stellte alles vor Megan hin, nahm Carlas leeren Teller und ging zurück in ihr Reich.
    »Er sagt, du seist die Einzige, die mit ihm redet.« Megan lud Rührei auf eine Toastscheibe und biss hinein.
    »Mit ihm redet? Hat er das gesagt?«
    »Ja.«
    Carla hob das Kinn. »Hm.« Sie setzte eine Sonnenbrille auf und musterte sich in einem Spiegel, der neben ihrer Kaffeetasse gelegen hatte. »Wie diskret.«
    »Er war gerade am Kochen und hat mich zum Essen eingeladen.«
    »Hat er dir seine Lebensgeschichte erzählt?«
    »Nein.«
    Carla legte die Sonnenbrille weg und begann die Kleidungsstücke links von ihr zurück in die Reisetasche zu stopfen.
    »Warum kommen die beiden eigentlich nicht miteinander aus, er und Raske?«
    »Frag sie.« Carla deutete mit einer Kopfbewegung nach draußen.
    Megan drehte sich um und sah Raske und Tanvir den Weg entlang auf sie zukommen. Raske trug einen hellen Anzug, einen dazu passenden Strohhut und eine verspiegelte

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