Auf den Inseln des letzten Lichts
einem Stein beschwert, wuchs langsam wie ein Haar. Wenn sie darüber nachdachte, wie viele Möglichkeiten es gab, eine Geschichte zu erzählen, erfasste sie Verzweiflung. Sie nahm sich vor, schwimmen zu gehen, später. Das Wasser würde sie eine Weile tragen. Niemand besuchte sie, behelligte sie. Nicht einmal einen Vogel lockte das Klickern der Schreibmaschine an. Sie kratzte sich am Bein, wo die Mückenstiche rote Flecken gebildet hatten. Der Himmel wechselte die Farben, Wind streifte über den Boden wie der Rocksaum einer alten Frau. Megan folgte dem Schatten, den der Baum auf den Sand warf. IhrKopf war ein dunkler Saal, die Seite vor ihr die Leinwand. Woran sie sich erinnerte, floss auf einem Strahl aus Licht und Staub und Hitze. Ein Krebs winkte ihr zu, aber sie hatte nicht die Kraft, zurückzuwinken.
Megan lag auf dem Bett, als Carla klopfte. Miguel hatte den Generator repariert, die Blätter des Ventilators drehten sich und erzeugten die Illusion einer Kühlung. Es war Abend. Die Helligkeit verschwand in der Dämmerung wie weiße Grundierung unter dem ersten Anstrich eines dünnen Blaus. Die schwere Luft, die ewiggleichen Geräusche und die selige Gewissheit, dass nichts passieren würde, lullten alles ein. Megan rollte sich zur Seite und hob den Kopf.
Carla betrat den Raum. »Störe ich?«, fragte sie laut, als sei ihr die Antwort egal. Sie trug Gummischlappen, einen farbigen Wickelrock und ein weißes T-Shirt ohne Aufdruck. Ein gelbes Tuch hielt die Haare aus ihrem Gesicht zurück.
»Nein.« Megan setzte sich auf. Sie hatte gedöst. Ihre Finger waren steif, sie knetete sie, bis die Gelenke knackten.
»Kommst du zum Essen?«
»Wo sind die anderen?«
»Keine Ahnung. Ich habe Hunger.«
Megan rieb sich die Augen. »Ich auch.« Sie stand auf und nahm die Hose vom Stuhl, zog sie an und schlüpfte in die Schuhe.
»Tut’s die noch?« Carla fuhr mit einem Finger über die Tasten der Schreibmaschine.
»Ja.« Megan band die Schnürsenkel.
»Schreibst du was?«
»Ja.«
»Was denn?« Carla setzte sich auf den Stuhl und sah Megan an, als erwartete sie eine lange Antwort.
Megan nahm die Armbanduhr vom Nachttisch. »Ach, das weiß ich auch nicht so genau.« Sie legte die Uhr zurück, die stehengeblieben war. »Nichts Großartiges jedenfalls.«
»Mein Vater schreibt auch. Gedichte. Er ist pensioniert. War mal Beamter bei den Wasserwerken, aber er hat viel für Literatur übrig. Er liest jede Menge. Nach dem Abendessen zieht er sich immer mit einem Buchin seinen Sessel zurück. Dann ist das Wohnzimmer für den Rest der Familie Sperrzone. Ein paar seiner Gedichte sind in Zeitschriften abgedruckt worden. Großartig ist das auch nicht.«
»Kannst du eins auswendig?«
»Nein«, sagte Carla und schien sich erst jetzt Gedanken über dieses Versäumnis zu machen. Sie stützte die Unterarme auf die Knie und betrachtete ihre Füße mit den langen Zehen und dem abblätternden roten Lack auf den Nägeln.
»Dein Vater lebt noch?«
»Ja.« Carla hob den Kopf. »Deiner nicht?«
Megan band sich ein Hemd um die Hüften, verknotete die langen Ärmel vor dem Bauch und ging zur Tür. »Meine Eltern sind schon lange tot. Ein Schiffsunglück. Da war ich drei.« Sie wartete, bis Carla im Freien war, dann machte sie die Tür zu.
»Dios mío«, murmelte Carla, während sie Megan einholte, die in Richtung Küchenbaracke eilte, als sei sie am Verhungern.
Rosalinda hatte Reis und Bohnen gekocht, daumenlange Fische und Maiskolben gebraten und Brot und Erdnusskuchen gebacken. Zum Trinken gab es Bier und Zitronenlimonade mit Ingwer. Das Radio in der Küche spielte Klassik, Klaviertöne perlten herüber. Der Empfang war schlecht, die Musik kam und ging, Gezeiten aus Tönen, heranrollend und verebbend. Rosalinda setzte sich eine Weile an den Tisch, trank ein Glas Limonade und erzählte eine wilde Geschichte von entfernten Verwandten auf Mindanao, muslimischen Rebellen und der Entführung eines Lastwagens mit zweitausend Hühnern. Als sie fertig war, bekreuzigte sie sich und ging zurück in ihr Reich, stellte einen neuen Sender ein und trällerte mit einer philippinischen Sängerin um die Wette.
»Wo bleiben denn die anderen?«, fragte Megan. Sie legte den abgenagten Maiskolben in einen Teller und wischte sich mit einer Papierserviette Butter von Mund und Kinn.
»Thor und Malpass sind am Morgen mit dem Schiff weg.«
»Wohin?«
»Zum Festland vermutlich.«
»Was tun sie da? Einkaufen?«
»Auch.« Carla nahm sich von den
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