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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Lappert
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wippte mit dem Fuß und trommelte mit den Fingern auf der Waffe.
    »Werden Sie mich töten?«, fragte Megan, und ein Lacher blieb ihr im Hals stecken. Sie konnte sich nur an eine Frage erinnern, die noch absurder war als diese. Sie hatte sie ihrem Exmann gestellt, nachdem er sie betrogen hatte, und sie lautete, ob er sie jemals wirklich geliebt habe.
    Malpass atmete tief ein und aus, starrte auf die Wasserflecken, die sich auf dem Zementboden ausbreiteten, und schien versunken über einer Antwort zu brüten. Seine Stirn lag in Falten, als er Megan endlich in die Augen blickte und sagte: »Ich nicht.«
    Megan weigerte sich, den Sinn dieser beiden Wörter zu ergründen. Sie zwang sich, an etwas anderes zu denken, und landete, ohne es zu wollen, an einem Neujahrstag in ihrer mit Büchern vollgestopften Londoner Wohnung. Verkatert und ohne einen einzigen guten Vorsatz gefasst zu haben, hatte sie beschlossen, sich umzubringen, indem sie aus dem Fenster sprang. Aber auch nach Stunden hatte sie nicht den Mut oder die Feigheit dazu gehabt und sich schließlich doch noch etwas für das neue Jahr vorgenommen, nämlich weiterzuleben.
    Sie öffnete die Augen. Malpass’ Blick, plötzlich klar und aufmerksam, ging an ihr vorbei, und sie drehte den Kopf zum Käfig und sah gerade noch, wie das Mädchen im Loch verschwand.
    »Sie ist der Tropfen«, sagte Malpass leise.
    »Was?«
    »Der das Fass zum Überlaufen bringt. Oder wie man das in Ihrer Sprache sagt. Diese religiösen Vollidioten haben sich nie darum geschert, was wir hier machen. Bis Raske sein verdammtes Dschungelkind kaufen musste.«
    Megan wartete, aber Malpass sagte nichts mehr. Er holte die Zigaretten hervor und zündete sich eine an. Zurückgelehnt saß er da und qualmte vor sich hin.
    »Ein Dschungelkind gekauft? Das verstehe ich nicht.«
    »Das Mädchen wurde auf einer Insel gefunden. Weiter unten im Süden.Die Mutter hat es ausgesetzt. Keine Ahnung. Es ist wild. Es spricht nicht. Es bellt und jault wie ein Hund.«
    »Raske hat es gekauft? Von wem?«
    »Na was denken Sie? Von geschäftstüchtigen Scheißkerlen!« Malpass hustete und wischte mit einer Hand die Rauchschwaden vor seinem Gesicht weg. »Die haben die Kleine vor ein paar Wochen hier abgeliefert. Und ordentlich kassiert.«
    »Und jetzt?«
    »Und jetzt?«, rief Malpass, und seine Stimme überschlug sich. Er lehnte sich nach vorne, tauchte aus dem Nebel auf, rot angelaufen und schweißnass. »Jetzt haben wir die Söhne Mohammeds am Hals! Denn die Kleine ist zwar weder Mensch noch Tier, aber sie ist ein Kind des Islam! Und muss befreit werden!«
    »Das finde ich auch.«
    Malpass lachte auf. »Natürlich tun Sie das! Keine Tiere hinter Gittern, was?«
    »Sie ist ein Mensch«, sagte Megan. »Ein menschliches Wesen.«
    »Sie beißt. Sie fängt Vögel und Mäuse und frisst sie roh.«
    »In dieses Loch gehört sie trotzdem nicht.«
    Malpass schwieg. Nach vorne gebeugt, die Ellbogen auf den Knien, rauchte er die Zigarette zu Ende, ließ den Stummel auf den Boden zwischen seinen Schuhen fallen und schien dann zu müde zu sein, um ihn auszutreten.
    »Was ist das hier?«, fragte Megan nach einer Weile.
    Malpass hob den Kopf.
    »Was ist in den langen Gebäuden? Wozu ist der Ofen? Was sind das für Käfige?«
    »Das wollen Sie gar nicht wissen«, sagte Malpass.
    »Was ist in den Metallkisten?«
    Malpass lehnte sich wieder zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Lange sah er Megan an, als überlegte er, ob es die Anstrengung wert sei, ihr zu antworten. Er ächzte und schüttelte den Kopf, und als Megan schon glaubte, er würde wieder in Schweigen versinken, sagte er: »Unterlagen. Listen. Testergebnisse.«
    »Was für Tests?«
    »Sie wissen, was Viren sind.«
    Megan nickte.
    »Ich rede nicht von Grippeviren. Nicht von Herpes. Nicht Kinderkramviren. Ich meine richtige Viren. Tödliche Viren. Ebola. Sars. Nipah. HIV. Marburg. Retroviren. Sagt Ihnen das was?«
    »Und was haben die mit dieser Insel zu tun?«, fragte Megan. Sie zog die Beine an und legte die gefesselten Arme um die Knie. Die Wirkstoffe der Tabletten nahmen sich ihres Systems an, eine wohlige Empfindungslosigkeit blendete die Schmerzen aus und sogar einen Teil der Angst.
    »Auf dieser Insel«, sagte Malpass, breitete wie unter großer Kraftanstrengung die Arme aus und ließ sie ermattet fallen, »sammeln wir Viren. Wir analysieren sie. Wir registrieren sie. Wir verändern sie. Wir vermischen sie. Wir züchten sie.« Sein gerötetes,

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