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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Lappert
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hatte und ausging.
    »Sie geben denen das Mädchen, und die lassen Sie in Ruhe.«
    »Und dann leben alle glücklich bis ans Ende der Tage.« Malpass stand auf und hängte sich die Maschinenpistole an die Schulter. »Die wollen uns loswerden. Die Kleine ist nur ein Vorwand. Ein Grund, uns in den Arsch zu treten. Die hassen den Westen. Wir sind die Ungläubigen. Die Teufel.« Er trank das restliche Wasser aus der Flasche.
    »Sind Sie das denn? Teufel?«
    »Für die schon. – Und wahrscheinlich für die Affen.«
    »Was machen Sie mit ihnen?«
    Malpass sah auf die Uhr. »Ende der Fragestunde.«
    »Nur noch eine«, sagte Megan. »Was haben Sie mit mir vor?«
    Malpass wich Megans Blick aus. »Die Entscheidung überlasse ich Raske.« Er steckte sich einen Finger in den Mund. »Die Zahnschmerzen sind weg.« Er lächelte. Dann holte er ein Walkie-Talkie aus dem Rucksack, schaltete es ein und hielt es ans Ohr. »Diese beschissenen Mistdinger!« Er schüttelte das Gerät, drehte an Knöpfen und schlug es gegen sein Beinwie eine Taschenlampe mit Wackelkontakt. »Ich hasse diese Insel. Alles löst sich auf. Nichts hält auch nur ein Jahr.« Er stopfte das Walkie-Talkie zurück in den Rucksack und holte eine zweite Flasche Wasser hervor.
    »Kriege ich einen Schluck?«
    Malpass rollte die Flasche über den Boden, und als sie einen Meter vor Megan liegen blieb, ging er hin und gab ihr mit dem Fuß einen leichten Stoß. Megan drehte sich in Seitenlage und schlug mit beiden Füßen hart gegen seine Beine. Malpass war von dem Angriff so überrascht, dass er nicht einmal aufschrie. Erst als er am Boden lag, entfuhr seiner Kehle ein wimmernder Laut. Sein Oberkörper bedeckte die Waffe, und er griff mit einer Hand nach dem Schulterriemen und wollte sich aufrichten, aber Megan war schneller und trat ihm mit aller Kraft in den Bauch. Malpass spuckte einen Schwall Luft und sackte zusammen. Er kroch ein Stück von Megan weg und wälzte sich auf die Seite, um die Maschinenpistole mit beiden Händen zu fassen. Megan traf ihn mit der Schuhspitze am Kopf, und sein Kiefer oder seine Nase brach knirschend. Dann blieb er, die Arme seitlich ausgestreckt und den blutigen Mund verzerrt, auf dem Rücken liegen.
    Als Megan sich bückte und die Waffe an sich nahm, zitterte sie am ganzen Leib. Den Fuß spürte sie nicht mehr, auch die Wunden an den Händen nicht. Sie stolperte ein paar Schritte rückwärts, bis sie gegen einen der Holzbalken stieß, die das Dach stützten, lehnte sich dagegen und versuchte normal zu atmen. Malpass starrte mit weit aufgerissenen Augen an die Decke und hustete. Sein Kopf lag in einer Wasserpfütze wie in einer Blutlache. Megan machte einen Bogen um ihn herum, nahm das Tuch von der Stuhllehne, schüttete Wasser darüber und ließ es auf seine Brust fallen. Dann suchte sie die Tabletten, fand sie in einer Außentasche des Rucksacks, schluckte eine und trank die halbe Flasche leer. Die restlichen Tabletten warf sie in die Flasche, schüttelte sie und stellte sie neben Malpass’ Kopf.
    »Es tut mir leid«, sagte sie leise.
    Malpass keuchte, blutige Schaumblasen platzten an seinen Lippen.
    Megan hängte sich die Maschinenpistole an die Schulter, nahm den Rucksack, ging durch die Tür in der Sperrholzwand und dann nach draußen.
     
    Der aus einem tiefen Himmel herabsinkende Regen war ein feines Nieseln, ein dichter, alles verhüllender Nebel und bis auf ein leises, gleichmäßiges Rauschen geräuschlos. Nur die großen Tropfen, die aus den Dachrinnen und Bäumen fielen und in Pfützen und auf Blättern zerplatzten, hörte Megan. Nachdem sie ein paar Schritte gegangen war, sank sie auf die Knie und weinte. Schluchzend legte sie die Stirn ins nasse Gras, grub die Finger in die weiche Erde. Ihr Kopf fühlte sich heiß an und leer und leicht, ihr Körper kalt und schwer. Sie war unendlich müde und gleichzeitig hellwach, nichts tat ihr weh, und trotzdem wurde sie von Schmerzen geschüttelt.
    »Es tut mir leid«, flüsterte sie. Immer wieder.
    Dann erhob sie sich. Sie schleuderte die Maschinenpistole in ein mit Büschen bewachsenes Feld und ging den schlammigen Weg entlang in Richtung der Häuser. Ab und zu blieb sie stehen und drehte sich um, aber Malpass tauchte nicht auf. Sie sah Rauch über den Bäumen aufsteigen und sich mit den Regenschleiern vermischen und wusste, dass er aus dem Ofen kam, den Ramon befeuerte.
    Bei den Baracken, eingelullt vom Lärm der Generatoren, scheuerte sie das Kabel an der Kante einer Eisentreppe, doch

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