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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Lappert
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selbstverständlich, Nancy. Und schauen Sie, was ich Ihnen noch mitgebracht habe!«
    »Was soll ich damit? Diese Blumen sind hässlich.«
    Tanvir lachte. »Heute ist der Tag, haben Sie es vergessen?«
    »Was für ein Tag? Wo ist Diego?«
    »Der ist draußen und bereitet alles vor. Für Ihre Grußbotschaft. Erinnern Sie sich?«
    Einen Moment lang war es still, als überlegte die Frau. Das Prasseln von Wasser in einen Blecheimer war zu hören, in den Leitungen über Tobeys Kopf rauschte es sanft.
    »Wo ist Bobbie?«
    »Nancy, Sie wissen doch, Ihr Mann ist vor langer Zeit gestorben.« Tanvir klang leicht ungeduldig, bemühte sich aber gleichzeitig, seiner Stimme einen warmen Ton zu verleihen.
    Wieder schien die Frau nachzudenken.
    »Er hat uns vor acht Jahren verlassen, erinnern Sie sich?«
    »Ich weiß, dass er tot ist!«
    »Sollen wir hinausgehen? Es ist ein wunderschöner Tag.«
    »Wo ist Diego?«
    »Draußen. Er wartet auf Sie.«
    »Ich muss ins Bad.«
    »Aber es ist schon alles vorbereitet.«
    Wenig später wurde eine Tür zugemacht und verriegelt.
    »Sie hätten ihr die Haare waschen sollen.«
    »Ich habe versucht, aber sie wollte nicht.«
    »Sie sieht verwahrlost aus.«
    »Ich pflege Misses Preston. Gebe gutes Essen, wasche.« Rosalinda klang eingeschnappt, trotzig.
    »Was macht sie bloß da drin?«
    »War wieder große Unordnung. Ich will wissen, was sie treibt ganze Nacht lang. Alle Kisten offen, alles auf dem Boden.«
    »Hoffentlich schminkt sie sich nicht.«
    Die Dielenbretter ächzten leise unter Rosalindas Gewicht. »Misses Preston? Sie okay?«
    »Nancy? Wir warten alle auf Sie!«
    Wenig später wurde die Badezimmertür geöffnet.
    »Sie sehen absolut bezaubernd aus, Nancy! Sollen wir?« Tanvir klang wieder munter, Tobey konnte förmlich sehen, wie er die alte Dame am Arm nahm und über die Veranda ins Freie führte.
     
    Nancy Preston saß in einem Korbstuhl im Schatten des Baumes, unter dem Tobey vor einer Stunde gelegen hatte. Sie trug ein wallendes rüschenbesetztes Kleid und einen wagenradgroßen, mit Stoffblumen besetzten Hut. Auf einem Tischchen neben ihr lagen ein Buch und eine Sonnenbrille. Rosalinda beugte sich über sie und tupfte ihr etwas Rouge auf die bleichen Wangen. Tanvir und Miguel waren damit beschäftigt, eine Kamera auf einem Stativ zu befestigen. Wolken machten sich am Himmel breit, Tanvir hob immer wieder den Kopf und blickte besorgt nach oben.
    Tobey und Montgomery hatten sich die Treppe hinunter und auf der Rückseite des Hauses zu einem Busch geschlichen, hinter dem sie jetzt saßen und das Tun auf dem Rasen beobachteten. Nach einer Weile hatte Montgomery zwei Bonbons aus der Hosentasche gezogen und Tobey eines angeboten. Obwohl ihm seine Lage bereits reichlich absurd vorkam und er Süßigkeiten hasste, hatte Tobey die giftgrüne Kugel aus Montgomerys Hand genommen, sie leise aus der durchsichtigen Folie gewickelt und sich in den Mund gesteckt. Bei jedem Atemzug spürte er das Bündel mit Megans Zeichnungen und dem Brief, das zwischen Hemd und Haut an seiner Brust lag.
    »Wir wären so weit«, sagte Tanvir, nachdem Miguel das Stativ vor Nancy Preston aufgebaut hatte. »Rosa?«
    »Moment. Nicht einfach.« Rosalinda zog die Lippen der alten Frau nach, schob zwei widerspenstige Haarsträhnen unter den Hut, richtete die Stoffblumen und trat dann vorsichtig und mit halb erhobenen Händen einen Schritt zurück wie jemand, der gerade eine Pyramide aus Champagnergläsern aufgebaut hat.
    »Der erste Durchgang ist noch ohne Kamera«, sagte Tanvir und nahmNancy das Glas und die volle Karaffe aus den Händen, bevor sie alles verschüttete. »Wo bleibt denn Jay Jay?«
    Tobey zuckte zusammen. Jay Jay hatte er völlig vergessen.
    »Er kommt bald«, sagte Miguel. »Ich weiß.«
    Montgomery sah sich um, als sei auch ihm plötzlich eingefallen, dass Jay Jay jeden Moment auftauchen konnte. Tobey deutete zum Weg. »Jay Jay?«, flüsterte er. Montgomery nickte und schüttelte dann den Kopf, was Tobey keineswegs beruhigte.
    »Ich bin durstig!«, protestierte Nancy, die, wie Tobey erst jetzt sah, barfuß war. Ihre Pantoffeln lagen vor ihr im Gras.
    Tanvir füllte Wasser ins Glas und ließ sie trinken, dann stellte er Glas und Karaffe außerhalb ihrer Reichweite auf den Tisch. »Nancy?« Er beugte sich zu ihr hinunter. »Gleich bringt Jay Jay die Zeitung, dann lesen Sie ein bisschen und wir plaudern. Einverstanden?«
    »Wo sind meine Zigaretten?«
    »Die holen wir gleich. Wollen Sie erst Ihre

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