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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Lappert
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Megan
     
    Weißt du noch, als wir mit Onkel Aidan auf Valencia Island waren, Tobey? Du warst vielleicht fünf und dachtest, wir reisen in ein anderes Land. Der Kapitän der Fähre hat dir seine Mütze aufgesetzt und du bist fast geplatzt vor Stolz. Aidan hat ein Foto gemacht, du strahlst, über deinem Kopf fliegen Möwen. (Rate mal, wer das Foto hat!) Die Insel, auf der ich hoffentlich bald landen werde, ist nicht viel größer als Valencia Island, aber flacher und einsamer und ohne Leuchtturm. (Woher ich weiß, dass es sie gibt, ist eine andere, lange Geschichte, die ich dir erzählen werde, wenn wir uns wiedersehen.) Es ist Nacht, und die drei Fischer – tr otz guter Bezahlung die Einzigen, die mich hierherbringen wollten – rauchen scheußliche Zigaretten und lachen noch immer über die Stirnlampe, die ich vor einer Stunde angeknipst habe, um das hier zu schreiben. (Entschuldige die wacklige Schrift.) Ich werde den Brief in den frankierten Umschlag stecken und ihnen mitgeben. Ob sie ihn zur Post bringen werden, weiß ich nicht, ich hoffe es. Die Nacht werde ich in meinem Schlafsack am Strand verbringen, unter einem gigantischen Sternenhimmel. Ich habe vier Liter Trinkwasser dabei, zehn Getreideriegel und eine Packung Vitamintabletten. Das reicht für zwei Tage, aber wenn meine Informationen stimmen, leben auf dieser Insel Menschen. Ich denke jeden Tag an dich, Tobey, und ich vermisse dich sehr. Ich hoffe, es geht dir gut und diese Zeilen erreichen dich irgendwie, irgendwann. Die Männer haben den Motor ausgemacht und die beiden jüngeren rudern jetzt. Ich habe keine Ahnung, ob sie das wegen der Untiefen tun oder wegen der Piraten, vor denen sie mich gewarnt haben und die auch der Grund dafür sind, dass die Fahrt so teuer ist. Der Alte ist ein seltsamer Kerl. Er sitzt im Bug und brabbelt vor sich hin, und manchmal sieht er mich an, grinst und fuchteltmit einer Hand herum. Jetzt kann ich die Insel sehen. Ich kann den hellen Streifen des Strands erkennen und die dunklen Umrisse von Bäumen. Die Männer legen die Ruder ins Boot, wir lassen uns mit den Wellen ans Ufer tragen. Ich muss aufhören. Ich umarme dich, Toto, für immer.
     
    Wer liebt dich?
    Megan!

 
    13
     
    Tobey saß neben dem offenen Grab, als Tanvir kam. Die Helligkeit hatte nochmals um ein paar Grad abgenommen, ein leichter Wind streifte die Baumwipfel und verlor sich zwischen den Stämmen. Tanvir, erschöpft und atemlos vom Rennen, setzte sich Tobey gegenüber ins Gras. Er sah das Erbrochene auf der Erde und dass Tobey geweint hatte, also schwieg er. Megans Leiche, in ein Tuch gewickelt, lag in der Grube. Ob Tobey sie herausgenommen und aus dem erstaunlich gut erhaltenen weißen Stoff gewickelt hatte, konnte man nicht erkennen. Fliegen schwirrten umher.
    »Warum haben Sie das getan, Tobey?«, fragte er nach einer Weile und tupfte sich mit einem Taschentuch die feuchte Stirn ab.
    Tobey antwortete nicht. Mit gesenktem Kopf starrte er auf den Stiel der Schaufel, die vor ihm lag. Er war schweißnass, eingetrocknete Erde klebte an seinen Händen.
    »Haben Sie nicht geglaubt, dass es Megan ist?«
    Tobey hob den Kopf. Seine Augen waren rot, in den Mundwinkeln und am Kinn waren Spuren des Erbrochenen zu sehen. »Sie haben mich angelogen«, sagte er mit leiser, brüchiger Stimme.
    »Aber das da ist Megan, ich schwöre es.«
    »Sie ist verbrannt, nicht ertrunken.«
    »Ach, Tobey …« Tanvir seufzte. »Das kann ich Ihnen erklären. Aber ich bezweifle, dass Sie es hören wollen.«
    »Ich will es hören.«
    Tanvir stieß erneut einen Seufzer aus. »Als Megan am Abend nicht zum Essen kam, haben wir sie gesucht«, sagte er dann, »bis tief in die Nacht, aber ohne Erfolg. Am nächsten Tag hat Montgomery sie am Strand gefunden. Das Klima ist hier sehr ungünstig, es ist …« Tanvir suchtenach Worten, seine Hand griff ins Leere. »Wir wollten Ihre Schwester kremieren, aber gutes Brennholz ist auf der Insel sehr knapp. Als wir am Nachmittag mit der Einäscherung begonnen hatten, brach ein Unwetter los und …« Er verstummte wieder, vermied es, Tobey anzusehen.
    »Sie haben sie nur halb verbrannt?«
    Tanvir nickte mit gesenktem Kopf. »Statt zu warten und neues Holz zu suchen, haben wir sie am nächsten Tag beerdigt.«
    Tobey dachte eine Weile nach. »Warum haben Sie mir das nicht gesagt?«, fragte er dann.
    »Das war alles sehr tragisch. Ich dachte, ich erspare es Ihnen.«
    Tobey sah Tanvir an, als versuchte er, in dessen Gesicht abzulesen, ob er die Wahrheit

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